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Lateinamerika und die Pandemie

imago images / Cris Faga
In Brasilien protestieren Bürger*innen Sao Paolos gegen Polizeigewalt und die Gesundheitspolitik Jair Bolsonaros.

7.4.2021


Stand März 2021

Im Mai 2020 schätzte die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) in ihrem Bericht „COVID 19 – Spezialbericht – „Die sozialen Herausforderungen in Zeiten von COVID 19“ ein, die Pandemie habe starke Auswirkungen auf die Gesundheit, die soziale Entwicklung und negative Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum. Lateinamerika und die Karibik würden ein geringes Wachstum aufweisen. Besonders COVID 19 werde die hohe Ungleichheit und Verletzlichkeit und die Tendenz der Armut und extremen Armut verstärken, die begleitet wird mit einer Schwächung des sozialen Zusammenhalts und der Mobilisierungen der allgemeinen Unzufriedenheit.

Nach Schätzungen stieg im Jahr 2020 die Arbeitslosenzahl in Lateinamerika um 11,9 Mio. im Vergleich zu 2019. Der Anteil informeller Arbeit, der 2016 bei 53 Prozent lag, erhöhte sich weiter. 214 Millionen Menschen, d.h. 34 Prozent der Gesamtbevölkerung Lateinamerikas, lebten Ende 2020 in Armut oder extremer Armut. Den höchsten Zuwachs an Armut gab es in Mexiko, Nikaragua und Ecuador. Der Armut wuchs vor allem in den drei wichtigsten Ökonomien Lateinamerikas, also in Brasilien, Argentinien und Mexiko. Das Wirtschaftswachstum ging in Argentinien um 5,2%, in Brasilien um 0,3%, in Kuba um 3,7%, in Ecuador um 2,4%, in Honduras um 1,2%, in Mexiko um 1,4%, in Peru um 3,4% und in Venezuela um 29,8% zurück. Mit dieser Krise wird sich das BIP um 5,3% verringern. Das ist mehr als in der Wirtschaftskrise 1930. Damals betrug dieser Wert minus 5 Prozent.

Diese Entwicklung wird die Debatte über den Platz Lateinamerikas in der Weltwirtschaft und über sein Wirtschaftsmodell neu befeuern, das charakterisiert wird durch Rohstoffexporte, Erzeugung von Halbfertigerzeugnissen und Tourismus. Die Unterbrechung von Lieferketten verdeutlichte das Risiko der Abhängigkeit der Mehrheit der lateinamerikanischen Länder vom Import von Fertigerzeugnissen. Es fehlten essenzielle Mittel zur Bekämpfung von Covid19. Besonders betroffen war die Automobilindustrie, weil die Zulieferungen ausblieben, sodass der Umsatz um 25 Prozent zurückging.

Die Mobilisierungen in Chile, Bolivien, Ecuador und Peru in den Jahren 2019 und 2020 sind Ausdruck verstärkten Widerstandes gegen die ultraneoliberale Politik der herrschenden Kreise. In Bolivien kehrte die „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) nach der Wahl im Oktober 2020 in die Regierung zurück. In Chile erzwang der Volksprotest die Einberufung einer konstituierenden Versammlung, die eine neue Verfassung verfassen soll. Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Ecuador hat sich Andrés Arauz, Vertreter der Partei des Ex-Präsidenten Rafael Correa durchgesetzt. Er wird in der zweiten Runde im April auf den Kandidaten der Rechten, den Bankier Lasso, treffen. In Peru, das lange Zeit unter der Korruption und neoliberaler Politik litt, kämpft die Volksbewegung ebenso wie in Chile um die Einberufung einer konstituierenden Versammlung. Lateinamerika ist in Bewegung.

Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.