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Ecuador: Eine Wirtschaftskrise, die nicht nur der Pandemie verschuldet ist und eine neue Hoffnung

Jose Jacome / imago images / Agencia EFE
Der Präsidentschaftskandidat von UNES, Andrés Arauz, werden im Stichwahl gute Chancen zugesprochen. Hinrter ihm steht der Ex-Präsident Rafael Correa.

7.4.2021


Nach Einschätzung der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) hatte Ecuador schon vor der Pandemie eine soziale und wirtschaftliche Krise erfasst, die nicht nur durch den Verfall der Rohstoffpreise (Erdöl) hervorgerufen, sondern auch durch fehlende öffentliche Mittel und fehlende Steuereinnahmen verursacht wurde. Damit wurde das Defizit im Haushalt verstärkt und die öffentlichen Schulden belasteten weiterhin das bestehende Haushaltsdefizit um 3 Mrd. US$. Um dieses Defizit auszugleichen, nahm die Regierung Lenin Moreno Finanzhilfen externer und interner Quellen in Anspruch. Das erhöhte das Saldo der öffentlichen Schulden Ecuadors im Jahr 2019 auf 57,3 Mrd. US$, was 53,4 Prozent des BIP ausmacht. Damit betragen die Auslandsschulden Ecuadors 72,4 Prozent der öffentlichen Schulden.

Nach Ansicht der CEPAL wird sich das BIP 2020 um 9 Prozent verringern, womit sich die wirtschaftliche Lage sich weiter verschlechtern wird.

Unter Moreno verließ Ecuador die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), erkannte Juan Guaidó als Präsidenten Venezuelas an, erneuerte die Zusammenarbeit mit den USA auf militärischem und Sicherheitsgebiet und hob das früher gewährte Asyl von Julian Assange in der Botschaft Ecuadors in Großbritannien auf. Außerdem ordnete sich Moreno in seiner Amtszeit dem Internationalen Währungsfond (IWF) und damit den USA unter.

Folgen dieser Entwicklung sind die Erhöhung der Arbeitslosigkeit und die Erweiterung des informellen Sektors. Im Juni 2020 wurden 180.000 Personen entlassen, 200.000 verloren ihre Sozialversicherung, womit die Sozialhilfen der Regierung wenig Hilfe für die Betroffenen brachten.

Ecuador war und ist von Covid-19 stark betroffen. 275.000 Personen infizierten sich bis Mitte Februar 2021 (Einwohnerzahl 17 Mio.), verstorben sind 15.547 Personen. Die Regierung reagierte hektisch, ohne garantieren zu können, dass Tausende Tote ordnungsgemäß bestattet wurden. Nach Medienberichten wurden die Leichen teilweise verbrannt, da es nur ungenügend Bestattungsmöglichkeiten gab. Ecuador registrierte 5,1 Tote auf 100.000 Einwohner. Es fehlte den medizinischen Einrichtungen an entsprechenden Ausrüstungen und Medikamenten. Die Krankenhäuser waren überfüllt. Mit Ausgangssperren und Einreiseverboten versuchte die Regierung, der Situation Herr zu werden. Inzwischen sind 177.951 Personen wieder genesen.

Die sich zuspitzenden Lebensverhältnisse, bedingt durch die neoliberale Politik Morenos und seiner Übereinkunft mit dem IWF, führten zu massiven Mobilisierungen der indigenen Organisationen. Moreno beantwortete diese mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes und dem Einsatz des Militärs. Es gab sieben Tote, 1.340 Verletzte und über 1.100 Verhaftete. Nach diesen großen Mobilisierungen Ende 2019 ging Moreno mit juristischen Mitteln systematisch gegen oppositionelle Kräfte vor. Dabei nutzte er die Möglichkeiten aus, die er sich mit einem Referendum im Jahr 2018 sicherte und die dem Präsidenten stärkeren Zugriff auf die Judikative erlaubte. Verboten wurde eine mögliche Kandidatur des Expräsidenten Rafael Correas, der während seiner Amtszeit eine auf nationale Unabhängigkeit orientierte und antineoliberale Politik realisierte, für die Wahl im Februar 2021. Gegen ihn laufen mehrere Gerichtsverfahren. Damit will Moreno eine Rückkehr Correas nach Ecuador verhindern. Denn Correa, der gegenwärtig in Belgien lebt, hatte im Juni 2020 erklärt, dass er erneut beabsichtigt, für das Amt des Vizepräsidenten zu kandidieren.

Besonderes Augenmerk legte Moreno darauf, Correa aus der „Landesallianz“ (Alianza Pais) zu vertreiben, die Correa selbst als seine Partei 2016 gegründet hatte. Das gelang Moreno auch teilweise. Neue Anläufe von Correa-Anhängern, eine andere Partei zu gründen, scheiterten zunächst. Der Versuch, 2019 über die „Kraft des Sozialen Kompromisses“ (Fuerza Compromiso Social) sich im Wahlkampf zu platzieren, wurde im Juli 2020 durch die Entscheidung des Wahltribunals verhindert. Nun suchten Correa-Anhänger Unterschlupf in der Partei des „Demokratischen Zentrums“ (Centro Democrático), was ihre Position im politischen Umfeld keineswegs stärkte. Mit der Nominierung des jungen Ökonomen Andrés Arauz im August 2020 als ihren Präsidentschaftskandidaten für die Linksbündnis Union für die Hoffnung (UNES) erhielten sie weiteren Auftrieb.

Erinnert sei daran, dass die Correa-Zeit von bedeutenden sozialen Errungenschaften, wie hohen Wachstumsraten, bedeutenden Investitionen in das Gesundheits- und Bildungssystem oder einer Reduzierung der Armut um sieben Prozent gekennzeichnet war. Gleichzeitig hatte die Politik Correas Grenzen, die gekennzeichnet waren von Erscheinungen der Willkür und von Gegensätzen zwischen der Regierung und den indigenen Bewegungen, insbesondere der CONAIE, eine Dachorganisation, die einen Großteil der indigenen Völker Ecuadors auf nationaler Ebene vertritt.

Den Kräften um Arauz steht der Bankier Guillermo Lasso als Kandidat der im Jahr 2013 gegründete Mitte-rechts Partei „Bewegung CREO“ (Creando Oportunidades) gegenüber, der in der Allianz mit der Christlich-Sozialen Partei das bekannte neoliberale politische Modell vertritt. Damit ist die Polarisierung, die schon in den letzten Jahren das Land im Griff hatte, weiter vertieft.

Die UNES wurde im Juli 2020 von Rafael Correa gegründet. Sie wurde im Oktober 2020 nach heftigem Gegenwind vom Nationalen Wahlrat zugelassen. An ihr beteiligen sich noch drei weitere Gruppierungen Mitte-linker Orientierung. Die UNES gilt als Vertreter des sogenannten „Progressismus“, der in den letzten Jahren von Mitte-links Regierungen vertreten wird und eine Politik des Postneoliberalismus, der Reprivatisierung, der Festigung des Staates und eine Politik der sozialen Umverteilung ist.

Neben UNES und CREO wurde als Vertreter des Exekutivkomitees Pachakutik, die Bewegung der Plurinationalen Einheit, eine indigene Bewegung, Yacu Pérez nominiert. Pérez gilt als Vertreter des Kommunitarismus, Verfechter der -Ökologie und Kritiker des Ex-Präsidenten Correa.

Damit fand die Wahl am 7.2.2021 in einer politisch außerordentlich zugespitzten Situation statt. Neben den genannten Personen, die sich um die Präsidentschaft bewarben, gab es noch weitere 15 Anwärter. Die Wahl erbrachte ein überraschendes Ergebnis: Arauz (UNES) erhielt 32,72% (3 Mio. Wähler), Lasso kam auf 19,74% (1.83 Mio.) und für Yaku Pèrez stimmten 19,39% (1,79 Mio.). Damit wird es in der zweiten Runde im April um die Entscheidung zwischen Arauz und Lasso gehen. Offen ist, wie sich Pèrez verhalten und für welchen Kandidaten er seine Wähler aufrufen wird.

Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.