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Binda Pandey

Frauen allein zu Haus

Der Himalaya-Staat Nepal, bekannt für seine Berge und Sherpas, ist auch in Sachen Geschlechtergerechtigkeit auf der Höhe. Die Kommunistische Partei Nepals leistete und leistet dazu wichtige Beiträge.

Hoch, Herr Premierminister!

Immer wieder applaudiere ich Dir.

Gleichst einer Spinne, die weder pflügt, noch säht.

Doch dick, und immer dicker wird.

Heutzutage, Brahmanen, ihr lebt wie ihr wollt.

Wie Herren, könnt ihr die Armen ausbeuten.

So verdorben verschleudert ihr eure Glaubwürdigkeit.

Doch dicke Bäuche platzen

Und verschleudern die Schmiergelder,

Die euch vergiften.

Genießt ruhig noch eure Reichtümer!

 

(Yogmaya, zitiert nach Hermann Warth: Lebensrad und Windpferd: Wege in Nepal)

 

Das ist nur eines von unzähligen Gedichten, die Yogmaya, eine des Lesens und Schreibens unkundige Nepalesin, zu Anfang des 20. Jahrhunderts formulierte. Dass Nepalesinnen und Nepalesen schon auf eine 100-jährige Geschichte der Frauenbewegung zurückblicken können, verdanken sie vor allem dieser politischen Aktivistin und Glaubensführerin. Ab 1917, als Nepal vom Rana-Regime beherrscht wurde und Indien fest unter der Kolonialherrschaft des Britischen Raj stand, erhob die schon im Kindesalter verheiratete und verwitwete Yogmaya ihre Stimme.

Sie kämpfte für Geschlechtergerechtigkeit, für die Rechte von Minderheiten und gegen die Ausbeutung von Armen. Ihre kritischen Gedichte, aufgeschrieben von ihren Anhänger*innen, beklagen frech und mutig Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Die größten Errungenschaften die sie und ihre Mitstreiter*innen erkämpften waren das Verbot der Witwenverbrennung und der Sklaverei. Trotz politischer Schikanen, Zensur und Einschüchterungsversuchen ging Yogmayas Saat auf. Ihr außerordentlicher Mut und ihr beispielloser Aktivismus inspirieren seitdem Generationen nepalesischer Feminist*innen und Aktivist*innen.

Vielleicht auch deshalb war es gar keine Frage, dass 1949, bei der Gründung der Kommunistischen Partei Nepals (KPN), neben Generalsekretär Pupalal, mit Motidevi Shrestha auch eine Frau an der Parteiführung beteiligt wurde. Seit ihrer Gründung wirbt die KPN aktiv um Frauen als Mitglieder und politische Aktivistinnen. Und stets waren Frauen beteiligt an politischen Aktivitäten. Dennoch waren im traditionsverhafteten Nepal Frauen nicht ausreichend in den formalen Strukturen der KP vertreten. Um deren Präsenz und Wirken zu fördern wurde 1952 die All Nepal Womens Association (ANWA) als Massenorganisation gegründet.

1960 wurde Nepals erste Demokratie zerschlagen. 1960 riss König Mahendra die Macht erneut an sich. Politische Parteien wurden verboten, Oppositionelle und Kritiker galten ihm als anti-nationale Elemente. Mit seiner neuen Verfassung schuf er im Dezember 1959 ein parteiloses, sogenanntes Panchayat System dörflicher Selbstverwaltung durch lokale Räte, den Panchayats. Bürgerinnen und Bürger konnten zwar ihre Repräsentant*innen wählen, doch die wirkliche Macht blieb in den Händen des Monarchen.

Zahlreiche männliche Politiker wurden inhaftiert oder gingen ins Exil, die KPN ging in den Untergrund und fragmentierte. Nepals Frauen trugen, damals wie heute, bedingt durch Abwanderung und das Verschwinden der Männer, die soziale, gesellschaftliche und oft auch ökonomische Verantwortung für ihre Familien.

1971 formierte sich im Osten Nepals ein zwei Jahre währender bewaffneter Widerstand, an dem auch Frauen beteiligt waren.1975 trafen sich Vertreter verschiedener kommunistischer Organisationen, ein Einigungsprozess begann. Daraus ging 1978 die Kommunistische Partei Nepals (Marxistisch-Leninistisch), kurz KPN-ML hervor. Man verständigte sich darauf, vom "bewaffneten Widerstand" zur Mobilisierung des Volkes überzugehen. Der Fokus lag nun auf der Gründung von Massenorganisationen für Studierenden, Arbeiter, Frauen, Bauern. Die kommunistische Bewegung wandelte sich grundsätzlich. 

Die große Studierendenbewegung 1979 setzte das Panchayat-System unter Druck, sodass im Mai 1980 ein Referendum dazu abgehalten wurde. Die Menschen konnten zwischen einem verbesserten Panchayat-System und einem Mehrparteiensystem entscheiden. Die KPN-LM setzte sich für demokratische Rechte, Freiheit und Gleichheit in der Debatte ein. Die Wähler*innen entschieden sich damals knapp das Panchayat-System zu behalten, aber der Partei gelang es viele neue Aktivisten und Aktivistinnen für die Kampagne und die Partei als Mitglieder zu gewinnen.

Die KPN-ML berief 1980 eine Frauenversammlung ein, um Strategien für mehr Frauenaktivitäten zu entwickeln. Als Resultat wurde ein Frauenflügel gegründet, der drei Ziele formulierte: Erstens, der Lage von Frauen besondere Beachtung zu schenken, zweitens, mehr Zusammenarbeit mit den Bewegungen zu organisieren, die gleiche Rechte für Frauen fordern und drittens, die Souveränität der Nation durch ein Ende des Patriarchats zu erlangen. Außerdem entschied die Partei, dass Frauen in Führungsposten vertreten und mehr Unterstützung bei Kandidaturen erhalten sollten.

Beim 4. Kongress der KPN-ML 1989 wurde eine feministische Agenda verabschiedet, die unter anderem das Verbot der patriarchalen Ausbeutung von Frauen, gleiche Erbrechte und gleicher Lohn für gleiche Arbeit, volle Gleichberechtigung in allen Bereichen des sozialen Lebens, spezielle Programme gegen Gewalt an Frauen, mehr Beteiligung von Frauen in der Politik und Bildungs- und Alphabetisierungsprogramme für Frauen beinhaltete. Dadurch wurden Frauen ermutigt sich mehr in der Politik einzubringen.

1990 auf Druck der von Indien unterstützen Demokratiebewegung, die von der städtischen Mittelschicht und von Student*innen getragen wurde, wurde auch in Nepal das Mehrparteiensystem wieder eingeführt; Nepal wurde eine konstitutionelle Monarchie und das Panchayat-System wurde beendet. Ein Jahr später vereinigten sich die beiden Kommunistischen Parteien in Nepal zur Kommunistische Partei Nepals (Vereinigte Marxisten-Leninisten), üblicherweise als UML bezeichnet. Mit Sahara Pradham wurde eine Frau Mitglied im Politbüro und zum ersten Mal waren Frauen an der Spitze der Partei vertreten. Die UML bekräftigte in ihren Statements stets die sozialistisch-feministische Perspektive.

Basierend auf der Annahme, dass es zwischen Frauen und Männern einen biologischen Unterschied gibt, erkennt die Partei deren unterschiedliche Bedürfnisse an. Gefordert werden gleiche Bürger*innenrechte und der gleichberechtigte Zugang zu Ressourcen sowie die paritätische Vertretung in Regierungsämtern. Außerdem verschreibt sich die UML der Notwendigkeit einer Frauen-Quote, auf kommunaler Ebene von 30 Prozent, von 50 Prozent auf nationaler Ebene.

Trotz der Vorhaben fehlte ein Umsetzungsplan, den die UML-Frauen mit einer Kampagne begannen einzufordern. 2006 brachte Bidya Devi Bhandari, die seit Oktober 2015 amtierende Staatspräsidentin, einen vier-Punkte-Plan im Parlament ein, der Gleichberechtigung in vielen Bereichen fordert. So kam das Thema endlich auch auf die staatliche Agenda Nepals.

2015 wurde eine neue Verfassung angenommen, die in Genderfragen sehr progressiv ist. Durch sie werden gleiche Rechte und Teilhabe garantiert. Es gibt einen Aktionsplan zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen und ein Bildungsprogramm. Im Mai 2018 konnte sich die UML nach langen Verhandlungen mit der Maoistischen Partei zur Nepalesischen Kommunistischen Partei (NKP) vereinigen. Inzwischen gewann die NKP eine einfache Mehrheit im Parlament und in sechs von sieben Provinzen. Die NKP bildete die Regierung und nominierte vier Frauen von insgesamt 25 Kabinettsmitgliedern, inzwischen sind es nach einigen personellen Veränderungen nur noch zwei.

Zwar ist in Nepals Verfassung festgeschrieben, dass mindestens ein Drittel der 334 Parlamentsabgeordneten weiblich sein sollen. Von den 112 weiblichen Abgeordneten auf der nationalen Ebene wurden lediglich sechs Frauen direkt gewählt, die anderen zogen über die Listenwahl ins Parlament ein. In den sechzehn Ausschüssen des Parlamentes haben immerhin neun Frauen den Vorsitz. Klar ist, dass noch heute das Vertrauen in die Führungskompetenzen von Frauen fehlt, und diese daher meist nur zu Stellvertreterinnen gewählt werden. Die tief in die Traditionen des Landes eingewebte patriarchale Denkweise lebt ungebrochen fort.

So erfüllt keine der nepalesischen Parteien, auch nicht die NKP, die gesetzlichen paritätischen Vorgaben. Für die NKP basiert die Gleichberechtigung der Frauen auf der Klassenbefreiung. Die größten Widersprüchlichkeiten innerhalb der NKP bleiben die Unterschiede zwischen Prinzip und Verhalten, Politik und Praxis, Sagen und Tun. Noch fehlt der NKP eine erfolgversprechende Strategie zur Umsetzung der eigenen Vorhaben sowie die Ansprüche der neuen Verfassung, in die politische Praxis.

Das Land gibt zwar Anlass zu vielen Hoffnungen. Geopolitisch ist der Himalaya-Staat von enormer Bedeutung für sowohl China als auch Indien. Beide Länder verfolgen dort, mal fördernd, mal fordernd, ihre eigenen geopolitischen und entwicklungspolitischen Strategien. Allen voran müssen gute Arbeitsgesetze und soziale Sicherheit auf den vorherrschenden informellen Sektor angewandt werden. Auch das nepalesische Bildungssystem muss dringend ausgebaut werden, denn fehlende Bildung, althergebrachte Traditionen und Praktiken und grassierende Armut lassen allen voran Frauen und Kinder weiter leiden. So prägen Unsicherheit, geschlechterbasierte Gewalt, ökonomische Ausbeutung und von Arbeitsmigration zerrissene Familien das Leben. Nepalesinnen sind weder in Schulen noch am Arbeitsplatz und nicht einmal in ihrer Familie sicher. Es bleibt daher, auch für die NKP, noch sehr viel zu tun.


Binda Pandey ist Mitglied der Nepalesischen Kommunistischen Partei (NKP) und vertrat sie in der 1. Konstituierenden Versammlung Nepals. Von 2004 bis 2008 war sie stellvertretende Generalsekretärin des Generalverbandes der nepalesischen Gewerkschaften. Ihr Buch Women in Nepali Politics über die Frauenbewegung im Land wird demnächst erscheinen.


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Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.