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Achim Wahl

Die Causa Lula und der Kampf um Rückkehr zur Demokratie

In einer politisch aufgeheizten Stimmung führt die brasilianische Justiz einen Prozess mit unlauteren Mitteln gegen den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva. Eine beispiellose Medienkampagne begleitet den Angriff der Justiz. Die Hauptanklagepunkte sind Korruption und Geldwäsche. Im Vergleich mit anderen laufenden Prozessen gegen Personen, die der Korruption beschuldigt werden, wird deutlich, dass es den dahinter stehenden politischen Kräften um die Verhinderung der Kandidatur Lulas für die Präsidentenwahl am 8. Oktober 2018 geht.

Der Richter der ersten Instanz, des Regionalgerichtes Curitiba Sergio Moro, vollführte etliche Manöver ohne gerichtsfeste Beweise und verurteilte Lula zu neuneinhalb Jahren Gefängnis. Das von der zweiten Instanz, dem Regionalgericht in Porto Alegre, am 24. Januar 2018 mit allen drei Richterstimmen beschlossene Urteil erhöhte die Strafe auf zwölf Jahre Gefängnis. Auch dieses Urteil wurde gefällt, ohne ausreichend Beweise gegen Lula vorzulegen.

Die Veröffentlichung des Urteils der zweiten Instanz erfolgte am 6. Februar 2018. Die Verteidiger Lulas haben die Möglichkeit innerhalb einer Frist von zehn Tagen dagegen Rechtsmittel einzulegen. Vor dem Obersten Verfassungsgericht als letzter Instanz kann die Verteidigung beantragen, die Verurteilung aufzuheben oder deren Nichtigkeit zu erklären. Das Gericht erlässt in diesem Falle eine einstweilige Verfügung. Das würde Lula gestatten, auf freiem Fuß zu bleiben.

Lulas Kandidatur ist in Gefahr

Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl muss jedoch zwischen 20. Juli bis 15.August 2018 beim Obersten Wahlgericht erfolgen. Sollte Lula von diesem Gericht abgelehnt werden, kann die Partido dos Trabalhadores (PT), für die Lula kandidiert, bis 17. September, d.h. bis 20 Tage vor der Wahl, einen Nachfolgekandidaten benennen.

Sollte Lula kandidieren können und auch die Wahl gewinnen, ist es nach dem brasilianischen Gesetz möglich, das Urteil bis zum Ende der Legislaturperiode auszusetzen. Im Falle einer Verhaftung kann Lula, so heißt es, vor dem Obersten Verfassungsgericht eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Haftbefehls beantragen. Die Rechtsanwälte Lulas werden den Fall im März 2018 auch dem Komitee für Menschenrechte der UNO vorlegen.

Laut Umfragen klarer Favorit

Nach Bekanntwerden des Urteils behauptete die bürgerliche Presse fast einstimmig, dass damit die Kandidatur Lulas erledigt und er politisch ein „toter Mann“ sei. Der mediale Beschuss Lulas wurde verstärkt. Seine Umfragewerte blieben jedoch mit 34-37% Zustimmung stabil. Eine mögliche Erklärung: Die Person Lulas ist inzwischen gegen öffentliche Attacken immun. Immer mehr Wähler erkennen, dass nach der Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff im August 2016 die Regierung des Interimspräsidenten Temer Reformen verabschiedete, die ihre soziale Lage verschlechtern. Das betrifft vor allem die Arbeits- und Rentengesetzgebung. Lula selbst hat erkannt, dass er seine Kampagnen im Land verstärken muss. Bekannt wurde seine Absicht, einen „Brief an die Brasilianer“ zu veröffentlichen, in dem er sich nicht wie 2002 an das Finanzkapital sondern an seine Landsleute wendet. Enthalten soll der Brief die Forderung nach Steuerbefreiung bis zu einem Einkommen von 5000,00 Reais (ca. 1500,- US$) monatlich, der Besteuerung hoher Einkommen und der Rücknahme der Konzessionen für transnationale Unternehmen im Erdölsektor. Offensichtlich ist diese Botschaft vor allem an Teile der Mittelschicht gerichtet, die zu 73% die Temer-Regierung ablehnt und sich mit 33% für die Kandidatur Lulas ausspricht.

Lula fordert damit seine Gegner heraus und zwingt sie zu einer Reaktion. Die Umfragewerte für Lula im Vergleich zu anderen Präsidentschaftskandidaten des rechten Blocks (z.B. Temer mit 1%) erschweren propagandistische Attacken gegen ihn. Die Aufrechterhaltung seiner Kandidatur trägt zur Meinungsbildung im Lande bei.

Linke schließen sich zusammen

Nach Bekanntwerden des Urteils haben die öffentlichen Aktionen für Lula zugenommen. Im Unterschied zum Jahr 2017, das noch von einem Gleichgewicht der Aktionen für oder gegen Lula bestimmt war, zeigt die gegenwärtige Lage deutlichere Signale des anwachsenden Widerstandes gegen die rechten Kräfte. So zeichnen sich durchaus verschiedene Möglichkeiten der weiteren Entwicklung ab.

Der Kampf um die Zukunft des Landes ist offen. Das schließt die Möglichkeit der Rückkehr zu einem demokratischen Staatswesen ein, wobei die Person Lulas dabei eine wesentliche Rolle spielte. Das ist das Ziel aller linken, progressiven Kräfte, die nach und nach zu einer gemeinsamen Position finden und die sich in der Frente Nacional Brasileiro zusammenschließen. Noch aber sind die rechten Kräfte stark, die über ein breites Arsenal von Handlungsoptionen verfügen. Sie sind auch in der Lage, zu drastischen Maßnahmen zu greifen, wenn sich die Unterstützung für die Kandidatur Lulas verstärkt. Der konservative Block will mit Unterstützung externer Kräfte eine Wiederwahl Lulas verhindern, weil damit seine Anstrengungen, die nach dem Sturz Dilma Rousseffs unternommen wurden, hinfällig wären.

Achim Wahl ist Mitglied im AK Lateinamerika der LINKEN und war von 2002 bis 2004 Büroleiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Brasilien.

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Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.