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Wahlen in Italien – die Linke ist marginalisiert

von Heinz Bierbaum

3.3.2018

Am 4. März wird das Parlament in Italien neu gewählt. Dieser vorgezogene Wahlgang sollte eigentlich einen Schub bei den Einigungsbemühungen der italienischen Linken bewirken. Diese Einigung kam jedoch nicht zustande. Die Linke präsentiert sich gespalten wie eh und je. Mehr noch: Sie hat Mühe, überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Stattdessen wird die politische Debatte vom Konkurrenzkampf zwischen der Rechten, dem Movimento Cinque Stelle (M5S) des Komikers Grillo und dem Partito Democratico (PD) beherrscht.

Berlusconi steht erneut im Rampenlicht und präsentiert sich als Retter Italiens, nachdem er bereits bei den Wahlen in Sizilien der eigentliche Gewinner war. Die Rechte hat sich trotz der Rivalitäten zwischen Salvini, dem Parteichef der Lega, und Berlusconi weitestgehend auf eine Kooperation verständigt. Dazu zählen neben Berlusconis Forza Italia und der Lega (ursprüngliche Lega Nord) auch die in der faschistischen Tradition stehende Partei Fratelli d'Italia. In ihren programmatischen Aussagen sind sie durchaus widersprüchlich. Während Salvini eine klar rechtspopulistische und damit auch eine rassistische Politik propagiert – bei der er allerdings von Giorgia Meloni, der »Führerin« von Fratelli d'Italia, noch übertroffen wird – und den Austritt aus dem Euro fordert, vertritt Berlusconi gemäßigtere Positionen.

Politisch schwer einzuordnen ist die populistische M5S, die einerseits einen harten Kurs in der Flüchtlingsfrage fordert, gleichzeitig aber die Fluchtursachen bekämpfen will. M5S spricht sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen und für direktere, plebiszitär-demokratische Beteiligung aus.

Der durch Abgänge und auch durch den Führungsstil Renzis geschwächte PD tritt für eine Fortsetzung der bisherigen Regierungspolitik und damit weiterhin für eine neoliberale Politik ein, wobei Europa und auch Fragen des Klimawandels eine größere Rolle spielen sollen.

Die Linke hatte nach dem gegen Renzi gewonnenen Verfassungsreferendum vom 4. Dezember 2016 erheblichen Auftrieb zu verzeichnen gehabt. Ausgehend von den Comitati del No hatte sich eine breite gesellschaftliche Bewegung entwickelt. Zudem kam es mit Bezug auf die Verfassung zu einer bedeutsamen Abspaltung vom PD mit dem Namen Articolo 1 – Movimento democratico e progressista (Mdp). Artikel 1 besagt, dass Italien eine auf Arbeit gegründete Republik ist, was seit dem Referendum zu einem zentralen politischen Bezugspunkt für die italienische Linke geworden ist. Protagonisten des Mdp sind insbesondere der frühere Ministerpräsident Massimo D'Alema und der ehemalige Parteivorsitzende des PD, Pier Luigi Bersani. Diese verleihen der neuen Partei mediale Aufmerksamkeit, stellen jedoch zugleich wegen ihrer bislang stark neoliberal ausgerichteten Politik eine Belastung dar, auch wenn sie sich inzwischen stärker links geben. Mitte letzten Jahres fand im Teatro Brancaccio in Rom nach einem Aufruf von Anna Falcone und Tomaso Montanari zur Bildung eine Bündnisses für Demokratie und Gleichheit eine große Versammlung statt. Diese nach dem Ort ihrer Entstehung als Brancaccio benannte Bewegung sollte die Basis für eine Zusammenführung der linken Kräfte in Italien einschließlich der Parteien Sinistra Italiana und Rifondazione Comunista abgeben. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch. Entnervt vom Streit der Parteien gaben Falcone und Montanari auf.

Nach dem Scheitern des Brancaccio gibt es nun zwei neue politische Formationen auf Seiten der Linken, die beide bei den Wahlen antreten wollen. Zum einen haben sich Sinistra Italiana, Possibile von Pippo Civati und Mdp zu einer Liste mit dem Namen Liberi e uguali zusammengeschlossen. Spitzenkandidat ist der amtierende Senatspräsident Pietro Grasso. Zum anderen ist Potere al popolo zu nennen. Ausgangspunkt war eine Initiative des Sozialzentrums mit dem Namen Je so' pazzo (»Ich bin verrückt«, nach einem Song des neapolitanischen Liedermachers Pino Daniele) in Neapel. Dieser Initiative hat sich dann rasch Rifondazione angeschlossen. Sie versteht sich als die einzig wahre linke Liste mit einem entschieden antineoliberalen Programm – als Alternative nicht nur zu dem von Renzi geführten PD, sondern auch zu Liberi e uguali, wobei vor allem D'Alema und Bersani im Zentrum der Kritik stehen. Ihnen wird vorgehalten, auf eine Art PD vor Renzi abzuzielen, d.h. auf die Schaffung einer neuen Mitte-Links-Regierung, die letztlich doch wieder eine mehr oder weniger neoliberale Politik mache. Dies kann in der Tat nicht ausgeschlossen werden. Auf der anderen Seite ist jedoch festzuhalten, dass gerade auch D'Alema die bisherige Politik Renzis stark kritisiert und dass Liberi e uguali den »Jobs act«, das Kernstück der Arbeitsmarktreform von Renzi, wieder rückgängig machen sowie den Artikel 18 mit seinem weitreichenden Kündigungsschutz wieder einführen wollen. Hinzu kommt, dass Liberi e uguali Rückhalt in der CGIL, der größten Gewerkschaft Italiens, haben. Die CGIL hatte ihren politischen Bezugspunkt lange Zeit im Partito Democratico. Dies hat sich in den letzten Jahren vor allen infolge der Politik Renzis stark abgeschwächt. Auch linke Gewerkschafter werden die neue Liste wählen, selbst wenn sie ihr kritisch gegenüber stehen und nicht wirklich überzeugt sind.

Mit der Bildung der beiden Listen Liberi e uguali und Potere al popolo sind die Einigungsbemühungen der italienischen Linken endgültig gescheitert. Während Liberi e uguali die Drei-Prozent-Hürde überspringen und ins Parlament einziehen wird, stehen die Chancen für Potere al popolo äußerst schlecht. Zur Zeit bemühen sich deren Anhänger, die nötigen Unterschriften zu sammeln, um überall KandidatInnen aufstellen zu können. Die Wahlen sind so eher ein Mittel, um diese Formation aufzubauen, sie bekannt zu machen und sie als Bewegung zu etablieren. Potere al popolo versteht sich als eine Bewegung von unteren, die diejenigen vertritt, die in der Politik keine Stimme haben. Die Sozialzentren, von denen ja die Initiative auch ausging, spielen eine ganz wesentliche Rolle. Gewerkschaftlich wird Potere al popolo von den Cobas, den die großen Gewerkschaften kritisierenden Basiskomitees unterstützt. Es bleibt abzuwarten, ob sich eine Dynamik entwickelt, die diese Initiative gesellschaftlich breiter macht und damit zu einem Neustart der radikalen Linken in Italien führt. Es ist dies wohl eher skeptisch zu beurteilen.

Entscheidend wird sein, wie sich Liberi e uguali entwickelt – ob es sich nur um eine Wahlliste für die Wahlen handelt, verbunden mit einer Orientierung auf Regierungsbeteiligung, oder aber ob sie eine darüber hinausgehende Perspektive für eine andere Politik bietet. Dabei spielt das Verhältnis zu den Gewerkschaften eine zentrale Rolle. Die CGIL ist in Italien die wichtigste Oppositionskraft. Eine Unterstützung durch sie, wobei es insbesondere auf die linken Kräfte innerhalb der CGIL ankommt, würde dieser Formation erheblichen Auftrieb geben, sodass die Chance bestünde, sie zu einer bedeutsamen linken Kraft werden zu lassen. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass beide Formationen scheitern und damit die italienische Linke am Ende ist.

Die Wahlen erfolgen nach dem neuen Wahlrecht Rosatellum, benannt nach ihrem maßgeblichen Ideengeber Ettore Rosato. Danach werden zwei Drittel der Abgeordneten nach dem Verhältniswahlrecht über Parteilisten und ein Drittel direkt gewählt. Für die Parteien gilt eine Hürde von drei Prozent, für Koalitionen eine von zehn Prozent. Es wird davon ausgegangen, dass rd. 40 Prozent erforderlich sind, um die Regierung zu bilden. Zur Zeit ist fraglich, ob dies überhaupt von einer der Formationen erreicht wird. Noch am nächsten kommt dem das Bündnis der Rechten. Cinque Stelle will es alleine schaffen, der PD braucht Koalitionspartner. Die Linke wird nicht bzw. nur relativ schwach vertreten sein. Eine Unterstützung des PD durch Liberi e Uguali, wie gegenwärtig gemutmaßt wird, wird nicht ausreichend sein. Ein Zusammengehen von Renzis PD mit Berlusconi ist durchaus möglich.

Wie auch immer es ausgehen mag, die Situation in Italien wird sich nicht verbessern. Die drängenden Probleme wie die Bankenkrise, die Jugendarbeitslosigkeit oder aber die strukturellen Defizite in der Wirtschaft1 werden ungelöst bleiben. Man wird versuchen, sich weiter durchzuwursteln. Eine politische Alternative ist nicht in Sicht.

Heinz Bierbaum ist Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE und Vorsitzender der Internationalen Kommission.

1 Vgl. Joachim Bischoff: Italien – Politische Hängepartie oder Rechtsruck? In: Sozialismus, 1/2018, S. 21-26.

Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.