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Varia Antares

Petition gegen religiöse Verfolgung durch CAA und NRC

Am 11. Dezember 2019 wurde in Indien ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz namens CAA (Citizenship Amendment Act) verabschiedet. Dieses umstrittene Gesetz ändert den Staatsbürgerschaftsgesetz von 1955 in der Weise, dass nun Migrantinnen und Migranten aus Pakistan, Afghanistan und Bangladesch, deren Einwanderung in Indien bislang als illegal betrachtet wurde, einfacher die indische Staatsbürgerschaft bekommen. Daran wäre prinzipiell nichts auszusetzen, wäre da nicht die Tatsache, dass der neue CAA von 2019 explizit erwähnt, dass Muslimas und Muslime von dieser Regelung ausgeschlossen sind.

Der indische Premierminister Narendra Modi begründet den Ausschluss der Muslime damit, dass diese in Bangladesch, Pakistan und Afghanistan nicht unter religiöser Verfolgung zu leiden hätten, und der CAA dazu dienen solle, nur religiös verfolgten Menschen aus diesen drei Ländern in Indien Zuflucht zu bieten. Dass es keine religiös verfolgten muslimischen Menschen in diesen drei Ländern gäbe, ist schlichtweg falsch. Mit diesem Argument soll des Weiteren darüber hinweggetäuscht werden, dass die indische Regierung muslimische Menschen aufgrund ihrer Religion systematisch ausschließt, was im Übrigen gegen die in der indischen Verfassung verankerten Religionsfreiheit verstößt.

Eine zweite umstrittene Neuerung in Indiens Politik ist das Nationale Register der Staatsbürger*innen, kurz NRC (National Register of Citizens). Dieses Register ist eine Liste aller in Indien lebenden Personen, die als legal beziehungsweise illegal betrachtet werden. Was vor einigen Jahren in Assam begann, soll nun, im Jahr 2020, in ganz Indien umgesetzt werden. Konkret bedeutet dies, dass alle Inderinnen und Inder anhand von Dokumenten nachweisen müssen, dass sie ihre Wurzeln in Indien haben. Wer dies nicht nachweisen kann, wird für staatenlos erklärt. Dabei ist es für die indische Regierung unerheblich, ob jemand tatsächlich Inderin oder Inder ist. Von den Auswirkungen des NRC sind zahlreiche Menschen betroffen, die bereits in Indien geboren sind und deren Eltern in Indien geboren sind. Außerdem verlieren auch alle Menschen, die aus sonstigen Gründen wie beispielsweise Armut, Umzug etc. keine Dokumente besitzen, durch den NRC ihre indische Staatsbürgerschaft.

Diejenigen Personen, die durch CAA und NRC ihre indische Staatsbürgerschaft verlieren, werden in Deportationseinrichtungen gesteckt. Das sind Gefängnisse, die speziell dafür gebaut wurden, um diejenigen Menschen, die durch die Gesetzesänderungen ihre Staatsangehörigkeit verloren haben, einzusperren, bis sie aus Indien deportiert werden können. In diesen Gefängnissen sind die Inderinnen und Inder, die ohne jede Schuld inhaftiert sind, menschenunwürdigen Bedingungen ausgesetzt. Sie erhalten nicht genügend Nahrung, von medizinischer Versorgung ganz zu schweigen.

Gewalt gegen friedliche Proteste

Die Menschen in Indien organisieren seit einigen Monaten friedliche Proteste gegen CAA und NRC. An den Protesten und Sitzstreiks beteiligen sich Angehörige aller Religionen: Hindus, Christen, Muslime, Atheisten und andere stehen Seite an Seite dafür ein, dass die verfassungswidrigen Gesetzesänderungen in Indien gestoppt werden. Die Proteste werden unter anderem von muslimischen Frauen angeführt, die ihr Leben dafür riskieren, dass Indien für ihre Kinder und Enkelkinder ein Land bleibt, in dem es Religionsfreit, sozialen Frieden und gegenseitige Achtung gibt.

Die indische Regierung geht hart gegen die Proteste vor. So wurde, was ebenfalls verfassungswidrig ist, ein Versammlungsverbot in Indien ausgerufen. Die indische Polizei hat wiederholt Schlagstöcke und Tränengas gegen die friedlichen Demonstrierenden eingesetzt. Es gab inzwischen mehrere Hundert Verletzte und zwischen 20 und 60 Tote, darunter auch ein kleines Mädchen. Die indische Regierung versucht mit aller Macht, die kritischen Stimmen zum Verstummen zu bringen. So hat es vermehrt Internetsperren in Teilen Indiens gegeben, die den Anschein wecken, dass Indiens Regierung verhindern möchte, dass der Rest der Welt von diesen Informationen erfährt.

Um die Menschen einzuschüchtern und vom Demonstrieren abzuhalten, hat es am 05. Januar 2020 einen Überfall auf die Jawarharlal Nehru University in Indien gegeben, bei der auch Studentinnen vergewaltigt wurden. Die Polizei tat nichts, um den Tätern Einheit zu gebieten.

Die Petition


An die Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Brüssel,

Wir rufen das Parlament der Europäischen Union mit allem Nachdruck auf, das stark kritisierte Staatsbürgerschaftsgesetz (Citizenship Amendment Act, CAA), das in Indien vor kurzem verabschiedet wurde, und die unnachgiebige Unterdrückung der friedlichen Proteste gegen dieses Gesetz durch den indischen Staat entschieden zu verurteilen.

Das Gesetz schafft zusammen mit dem National Register for Citizens (NRC) und dem National Population Register (NPR) einen gefährlichen Präzedenzfall, indem es die Religionszugehörigkeit als Grundlage für die indische Staatsbürgerschaft einführt und dadurch das Potenzial hat, Millionen von Menschen staatenlos zu machen. Diese Bestimmungen verlangen, dass die Menschen ihre Staatsbürgerschaft durch offizielle Dokumente nachweisen. Die unmenschlichen und ungerechten Auswirkungen dieser Anforderung werden die Armen, die Marginalisierten, die Landlosen und die Minderheiten Indiens, die nicht in der Lage sein werden, einen Nachweis zu erbringen oder aufgrund ihrer Religion ausgeschlossen zu werden, unverhältnismäßig stark treffen. Ältere Menschen, Frauen und Kinder werden am schlimmsten betroffen sein, weshalb es im ganzen Land einen Aufstand der muslimischen Frauen gibt, die sich in großer Zahl zu ihren Protesten versammeln. Die Änderung des indischen Staatsbürgerschaftsrechts verletzt zusammen mit dem NPR und dem NRC Indiens verfassungsmäßige Garantien der Gleichheit vor dem Gesetz und des gleichen Schutzes durch das Gesetz und setzt viele Millionen Menschen der Gefahr von Staatenlosigkeit, Massenverhaftungen und ungeschützter Migration aus, bedroht den Frieden und die Stabilität in der Region und verstößt gegen die Grundsätze des Übereinkommens von 1961 über die Verminderung der Staatenlosigkeit, dem mehrere europäische Staaten beigetreten sind.

Dass die Behauptungen der indischen Regierung über den gutartigen Charakter der Gesetzesänderung bedeutungslos sind, zeigt sich daran, wen sie ausschließt - Muslime und andere ethnische Minderheiten der Region. Die Änderung muss auch im Zusammenhang mit der Einführung des Nationalen Bürgerregisters (NCR) in Assam gesehen werden, die zur Vertreibung und Inhaftierung von 1,9 Millionen Menschen führte.

Wir sehen mit Entsetzen zu, wenn wir der Opfer unschuldiger indischer Bürger - von Alleinverdienern bis hin zu Kindern - gedenken und trauern, die bei der unverhältnismäßigen Anwendung von Gewalt durch die Polizei bei der Unterdrückung friedlicher Proteste - einem Kernstück der Demokratie - getötet wurden. Im Bundesstaat Uttar Pradesh wurden Muslime zur Zielscheibe gewalttätiger und illegaler Polizeiaktionen, zu denen auch die Folter und Erniedrigung von Kindern gehört. Auch in Bildungseinrichtungen gab es gewalttätige Repressalien gegen Studierende, die sich lautstark gegen diese Maßnahmen wandten.

Die gewaltsame Unterdrückung friedlicher Proteste, auch durch die inoffizielle Sperrung des Internets, die zunehmende Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit und das Erfordernis, als Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft Dokumente vorzulegen, die für einen großen Teil der Bevölkerung unzugänglich sind, verheißt nichts Gutes für Indiens verfassungsmäßige Rede- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf persönliche Freiheit.

Sie verstoßen gegen die gemeinsamen Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankert sind. Sie untergräbt die Achtung der Europäischen Union vor der Menschenwürde und den Menschenrechten, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit und der Rechtsstaatlichkeit. Diese Werte vereinen alle ihre Mitgliedsstaaten und sind seit jeher die Grundlage für ihre Beziehungen zu Indien.

Die Europäische Union muss auf der Grundlage dieser Prinzipien handeln. Die Zeit für Frieden, Harmonie und Solidarität ist jetzt gekommen. 

Wir appellieren an Sie im Namen derer, die heute ihr Leben riskieren, ihren Glauben an die in der indischen Verfassung verankerten Werte nicht zu enttäuschen.

Wir ersuchen das Parlament der Europäischen Union erneut, die folgende Resolution zum indischen Staatsbürgerschafts-(Änderungs-)Gesetz 2019 zu verabschieden:

1. Sein Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Achtung der Menschenrechte zu bekräftigen,

2. Erinnern Sie den indischen Staat an seine Verantwortung, friedliche Proteste zuzulassen,

3. Rufen Sie den indischen Staat auf, eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorfälle von Gewalt und Brutalität in ganz Indien nach der Verabschiedung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Citizenship (Amendment) Act) zu veranlassen, 

4. Rufen Sie den indischen Staat auf, den Citizenship (Amendment) Act aufzuheben, und

5. Rufen Sie den indischen Staat auf, die Einführung des Nationalen Bürgerregisters und des Nationalen Bevölkerungsregisters zu stoppen.


Sie können diese Petition hier unterschreiben.

Um der religiös motivierten Gewalt und den Ausschreitungen in Indien Einhalt zu gebieten, hat die Initiative #BerlinForIndia eine Petition gestartet, die sich an das europäische Parlament richtet. Mit der Petition wird das Parlament aufgefordert, eine Resolution gegenüber Premierminister Modi zu formulieren, die zum Inhalt hat, sowohl CAA als auch NRC zu stoppen und die Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf friedliche Demonstrationen in Indien wiederherzustellen.

Es geht nicht nur darum, unzählige Menschenleben in Indien zu retten, sondern auch die Werte der Demokratie und der Religionsfreiheit als solche.


Varia Antares ist Mitglied im Vorstand des Kreisverbandes Kassel-Stadt. Sie arbeitet als freie Dozentin und Autorin.


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Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.