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Katrin Voss

Der vergessene Konflikt

Am 7. Oktober fanden in Kamerun Präsidentschaftswahlen statt. Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei die erneute Kandidatur des seit 35 Jahren amtierenden Präsidenten Paul Biya. Der inzwischen 85-jährige Autokrat stellte sich für eine weitere siebenjährige Amtszeit zur Verfügung.

In Kamerun, mit seinen ca. 25 Millionen Einwohnern, ließen sich knapp 6,6 Millionen als Wähler*innen registrieren. Zur Wahl wurden ca. 3,5 Millionen Stimmen abgegebenen, damit lag die Wahlbeteiligung im Landesdurchschnitt bei knapp 54 Prozent, wobei sie im Nordwesten nur knapp über 5 Prozent kam.

Am Montag direkt nach der Wahl, ohne auf eine Veröffentlichung der Wahlergebnisse zu warten, erklärte sich der Oppositionspolitiker Maurice Kamto zum Wahlsieger. Die Auszählung der Stimmen dauerte jedoch fast zwei Wochen. Am 22. Oktober wurden die amtlichen Wahlergebnisse verlesen. 71,2 Prozent der Stimmen entfielen demnach auf Biya, Kamto kam lediglich auf 14,2 Prozent, Joshua Osih, der Chef der Social Democratic Front erhielt 3,3 Prozent.

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse beantragte Joshua Osih beim Verfassungsgericht die Abstimmung für ungültig erklären zu lassen. In den englischsprachigen Gebieten im Nordwesten und Südwesten des Landes habe die Wahl nicht stattfinden können. Bereits im Vorfeld der Wahlen kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen den englischsprachigen Separatisten und der Armee. Separatisten hatten mit Angriffen auf Wähler*innen gedroht, die wiederum aus Angst der Wahl fernblieben. Aus Sicherheitsgründen wurde die Anzahl der Wahllokale im Nordwesten deutlich reduziert. In Gebieten der südwestlichen Region wurde die Auslieferung der Wahlzettel aus Sicherheitsgründen als zu gefährlich erachtet und unterblieb. Die Richter des Verfassungsgerichtes wiesen sämtliche Beschwerden gegen das Wahlergebnis als unbegründet zurück und ebneten Biya den Weg für seine siebte Amtszeit.

Der Opposition gelang es im Vorfeld der Wahlen nicht, sich auf einen einheitlichen Kandidaten zu einigen und somit gestärkt in einen Wahlkampf gegen Biya zu ziehen.

Historischer Hintergrund

Die Situation in Kamerun hat sich in den letzten Monaten dramatisch zugespitzt. Und dennoch wird dem Land kaum Aufmerksamkeit in Deutschland geschenkt, was verwundert, war doch Kamerun Teil der deutschen Kolonialgeschichte. Durch die 1884 geschlossenen Grenzverträge zwischen den Briten und Franzosen mit dem deutschen Kaiserreich wurde Kamerun zur deutschen Handelskolonie. Bereits lange vorher sicherten sich jedoch deutsche Handelsvertretungen mit großangelegten Kakao-, Zuckerrohr- und vor allem Kautschukplantagen begehrte Güter für den deutschen und europäischen Markt. Dazu wurde die einheimische Bevölkerung vertrieben, mit Zwangsarbeit wurde Infrastruktur für den Handel geschaffen. Aufstände wurden blutig niedergeschlagen und an Kamerunern, die den deutschen Interessen zuwiderlaufende Ziele verfolgten, blutige Exempel statuiert. Als Folge des ersten Weltkrieges wurde Kamerun im Zuge des Versailler Vertrags und im Namen des Völkerbunds unter britische und französische Verwaltung gestellt.

Mit der Unabhängigkeit 1960 entschied sich ein kleiner Teil im Nord- und Südwesten des heutigen Kameruns, gegen die Zugehörigkeit zur ehemaligen britischen Kolonie, dem heutigen Nigeria und schloss sich der ehemaligen französischen Kolonie, dem heutigen Kamerun an. Kamerun ist seit dieser Zeit gespalten, in einen größeren Französisch sprachigen Teil (ca. 80 Prozent der Bevölkerung) und in einen englisch sprachigen Teil (ca. 20 Prozent), wobei beide Sprachen offiziell als Amtssprachen gelten.

Diese Zweiteilung in einen britischen und einen französischen Teil Kameruns wirkt bis heute nach und kann als Grundlage für die heutigen Konflikte angesehen werden. Die frankophone Bevölkerungsmehrheit dominiert die anglophonen Bevölkerungsteile und die Spaltung zwischen beiden Teilen vergrößert sich ständig. So ringt die Bevölkerung aus dem englischen Teil seit Jahren um gleichberechtigte Anerkennung. Der Vorwurf an die Zentralregierung, die englischsprachigen Landesteile schlechter zu behandeln, ist nur die Spitze des Eisberges. Dahinter verbirgt sich ein tiefer Konflikt, der sich inzwischen in gewaltsamen Aktionen entlädt und in der jüngsten Forderung nach einer unabhängigen anglophonen Republik Ambazonien mündet.

Diktatur mit demokratischem Schein

Die Spaltung Kameruns ist tief und die politische Situation in Kamerun spitzt sich immer mehr zu, herrscht im anglophonen Teil des Landes bürgerkriegsähnliche Zustände. Der Konflikt zwischen dem anglophonen und dem frankophonen Teil wird immer gewaltsamer. Eine Lösung des Konflikts scheint nicht in Sicht. Paul Biya, aus dem frankophonen Teil, führt Kamerun mit fester Hand. Während seiner Amtszeit schuf Biya ein juristisches und politisches System, welches über Bestechung, Repression und Manipulation dem eigenen Machterhalt diente. Oppositionelle Gruppen werden systematisch diffamiert und unterdrückt. Kritik am Präsidenten durch Kunstschaffende, Intellektuelle sowie die Medien werden mit Verurteilungen und Repressalien geahndet.

Die anglophone Bevölkerung im Nordwesten des Landes klagt seit langem über eine Ungleichbehandlung und kämpft für eine gleichberechtigte Anerkennung. Doch Biyas bisheriger Politikstil war eine Aneinanderkettung von Eskalationsstufen, die zu einer weiteren Radikalisierung der anglophonen Minderheit führten. Es ist davon auszugehen, dass Biya auch weiterhin mit militärischem Großaufgebot gegen Proteste der anglophonen Minderheit und anderen Oppositionsgruppen vorgehen wird, dies zumeist unter dem Vorwand gegen Mitglieder der verschiedenen bewaffneten separatistischen Gruppen zu kämpfen, die von der Regierung als Terrorgruppen bezeichnet werden.

Für die Weltöffentlichkeit scheint der Konflikt zu klein, um wirkliche Beachtung zu erfahren. Trotz der vielen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung, an denen die Armee beteiligt ist, hält die Bundesregierung an einer Militärhilfe für Kamerun fest. Über das "Ausstattungshilfeprogramm" will die Bundeswehr Kameruns Streitkräften Ausrüstung und Ausbildung zukommen lassen. Eine weltweit kritische Auseinandersetzung mit der Politik Biyas erscheint dringend notwendig.

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Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.