Neues Wahlgesetz belebt die Politik
Am 6. Mai finden erstmals seit zehn Jahren wieder Parlamentswahlen im Libanon statt. Eine Blockade im Parlament bei der Wahl des Staatspräsidenten, der Krieg in Syrien und Uneinigkeit über das neue Wahlgesetz führten dazu, dass das Parlament ab 2013 drei Mal seine Amtszeit verlängerte.
Schließlich im Juni 2017 wurde das neue Wahlgesetz beschlossen und das bisherige Mehrheitswahlrecht durch ein Verhältniswahlrecht abgelöst. Die Aufteilung der Sitze im Parlament nach religiöser Zugehörigkeit bleibt bestehen: 50 Prozent für Muslime (verteilt auf Kontingente für Sunniten, Schiiten, Drusen und Alawiten) und 50 Prozent für Christen (verteilt auf Maroniten, griechisch-orthodox, katholisch, armenisch, u.a.)
In den Wahlkreisen treten unterschiedlich zusammen gesetzte Listenverbindungen an. Gewählt wird eine Liste, zusätzlich kann ein einzelner Kandidat der Liste als Favorit gekennzeichnet werden. Doch, ob durch dieses System kleinere Gruppierungen und unabhängige Kandidaten eine Chance haben, ist fraglich. Denn der Zuschnitt der Wahlkreise und Sperrklauseln sowie exorbitant hohe Preise für Wahlwerbung benachteiligen kleine Gruppen. Insgesamt bewerben sich 583 Kandidaten um die 128 Parlamentssitze, darunter 111 Frauen, was ein großer Fortschritt ist, angesichts der 12 Kandidatinnen 2009.
Neue Allianzen
Wegen der Komplexität des Wahlsystems gibt es keine Umfragen vorab. Dennoch wird heute schon deutlich, wie das neue Wahlsystem die Politik des Landes belebt. Mit der Listenaufstellung kam Bewegung in bisherigen Allianzen. Bisher dominierten zwei große Blöcke, die schiitische Hisbollah und Verbündete (Allianz des 8. März) sowie die sunnitische Zukunftsbewegung und Verbündete (Allianz des 14. März), die mit Saad Hariri den Premier stellt. Die Zukunftsbewegung von Hariri hat sich nun in einigen Wahlbezirken mit der Freien Patriotischen Bewegung von Staatspräsident Michel Aoun zu einer Liste verbunden, die sich wiederum mit der schiitischen Hizbollah alliert. Die Konstellation der Listenverbindungen ist In jedem Wahlkreis anders. Viele Parteien und Bewegungen treten nur in ausgewählten Wahlkreisen an.
Die politische Landschaft im Libanon ist geprägt durch Klientelismus und Patronage. Zudem verstärkt sich der Einfluss regionaler Mächte. Die Hizbollah, deren eigene Milizen in Syrien an der Seite Assads kämpfen, wird direkt vom Iran unterstützt. Sie tritt vor allem im Süden an. Aber auch Saudi-Arabien mischt im Libanon mit. Im November letzten Jahres hatte Premier Hariri überraschend seinen Rücktritt verkündet, als er sich in Riad aufhielt. Erst nach Verhandlungen konnte er in den Libanon zurück reisen, wo er seinen Rücktritt zurückzog.
Eines der Hauptthemen im Wahlkampf ist die große Zahl der syrischen Flüchtlinge. Bei gerade einmal 5 Millionen Einwohnern hat der Libanon eine Million Syrer aufgenommen. Seit langem gibt es Spannungen, einige Kommunen im Libanon haben tausende Flüchtlinge vertrieben. Politiker drängen auf deren baldige Rückkehr. Doch geht es auch um das Müllproblem, um Korruption und um soziale Fragen.
Neue Akteure benachteiligt
Durch die sozialen Proteste 2015 sind viele neue zivilgesellschaftliche Akteure auf den Plan getreten. Einige davon haben sich auf der Liste "Koullna Watani" (Wir sind alle Patrioten) zusammengefunden. Für sich als säkular verstehenden Akteure stellt die religiöse Zuordnung der Kandidaten ein Hindernis dar.
Die Kommunistische Partei Libanon war unter anderem aufgrund des Wahlsystems in den letzten Jahren nicht im Parlament vertreten. Sie schickt 7 Kandidat*innen ins Rennen auf gemeinsamen Listen mit unabhängigen Kandidaten, darunter zwei in Wahlkreisen auf der Liste "Wir sind alle Patrioten", 5 in zwei weiteren Wahlkreisen im Süden auf Listen der Bewegung "Gemeinsam für den Wandel“.
Julia Wiedemann ist Referentin im Bereich Internationale Politik in der Bundesgeschäftsstelle der DIE LINKE und arbeitet zum Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten und Türkei.
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