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Julia Wiedemann

Linke ruft zum Boykott der Scheinwahl

28.3.2018

Heute geben die letzten ägyptischen Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen ab, um über den nächsten Präsidenten zu entscheiden. Beim Urnengang, der am Montag begann, werden keine Überraschungen erwartet. Schon im Vorfeld der Wahlen, deren Ergebnis am 2. April verkündet werden soll, wurden potentielle Kandidaten vom Wahlantritt abgehalten, inhaftiert oder zogen sich unter merkwürdigen Umständen zurück, wie der Blog alsharq.de, eine unabhängige Plattform junger Wissenschaftler*innen und Journalisten*innen mit Expertise und Erfahrung rund um den Nahen Osten berichtet.

Khaled Ali, 46-jähriger Anwalt von der linken Partei "Brot und Freiheit", zog sich ebenfalls zurück, nachdem die anderen Kandidaten aus dem Rennen gedrängt worden waren. Für ihn war offensichtlich, dass es keine faire Wahl mehr geben wird. Übrig blieb, als Al-Sisis einziger Gegenkandidat, Mussa Mustafa Mussa, der sehr kurz vor Fristende seine Kandidatur einreichte. Mussa ist bis dahin eher unbekannt in der ägyptischen Politik. Er wird von der liberalen Ghad-Partei unterstützt. Mussa tritt mit einem Privatisierungsprogramm für die ägyptische Wirtschaft an. Die Opposition wirft ihm vor, ein Pseudo-Kandidat zu sein, der Al-Sisis Wahl einen demokratischen Anstrich geben soll.

Präsident Al-Sisi hatte bei seiner ersten Wahl 2014 viel versprochen. Er wollte für mehr Sicherheit sorgen und den Terrorismus bekämpfen, mit einem nationalen Straßennetz die Regionen des Landes besser und sicherer miteinander vernetzen, kündigte milliardenschwere Investitionen zur Erhöhung des Lebensstandards an.

Doch die Armut stieg seit dem Arabischen Frühling 2011 weiter.an Mehr als 30 Prozent der Ägypter leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebenshaltungskosten steigen. Die Sicherheitslage ist schlimmer, als vor vier Jahren. Im November 2017 sind bei einem Anschlag auf eine Moschee mehr als 300 Menschen getötet worden. Auch bei den angekündigten Großbauprojekten geht es nur schleppend voran. Der Ausbau des Suezkanal bringt weniger ein, als erwartet. Die Mega-Baustelle der neuen Hauptstadt mit Regierungsviertel und Wohnhäusern für fünf Millionen Menschen zog bislang weniger Investoren an, als gehofft. Und im Straßenverkehr rangiert Ägypten unter den Top zehn der Länder mit den meisten Verkehrstoten.

Auch die Menschenrechtslage ist desaströs: Inhaftierungen, systematische Folter, das Verschwinden von unliebsamen Oppositionellen, unfaire Gerichtsverfahren, Hinrichtungen. - Die Liste der Vergehen ist lang und Ägypten ist heute denn je entfernt von den Zielen der Revolution 2011.

Die Wählerinnen und Wähler haben resigniert. Deshalb darf man gespannt sein auf die Wahlbeteiligung. Auch wenn ein Sieg Al-Sisis als sicher gilt, gibt die Wahlbeteiligung Ausdruck darüber, wie viel Rückhalt er in der Bevölkerung wirklich hat. Im Dezember 2017 haben sich acht linke und liberale Oppositionsparteien sowie 150 Aktivisten und politische Persönlichkeiten zu einem Zivildemokratischen Bündnis zusammen geschlossen. Das "Civil Democratic Movement" ruft zum Boykott der Wahlen auf. Welchen Effekt dieser Aufruf haben wird, ist jedoch schwer vorauszusagen. 2014 hatten sich weniger als die Hälfte der 60 Millionen Wahlberechtigten an der Präsidentschaftswahl beteiligt. Damals wurde Al-Sisi mit 97 Prozent ihrer Stimmen gewählt.

Julia Wiedemann ist Referentin im Bereich Internationale Politik in der Bundesgeschäftsstelle der DIE LINKE und arbeitet zum Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten und Türkei.

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Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.