Ein unglaubhafter Sieg für Magufuli
Insbesondere das Rennen um das Amt des Präsidenten war hart umkämpft. Neben dem amtierenden Präsidenten Dr. John Pombe Magufuli von der Regierungspartei Chama cha Mapinduzi (CCM) kandidierte auch der Chef der größten Oppositionspartei Chama cha Demokrasia na Maendeleo (CHADEMA), Tundu Lissu. Lissu galt vor der Wahl als aussichtsreich. Gestärkt durch enormen Zulauf bei öffentlichen Veranstaltungen, breiter Zustimmung der Jugend, insbesondere in städtischen Zentren, internationaler Unterstützung und einer Wechselstimmung im Land (#changetanzania, insbesondere sichtbar in den sozialen Medien) hatte sich die Opposition diesmal große Hoffnungen gemacht.
Nachdem das amtliche Wahlergebnis verkündet wurde, sind diese Hoffnungen begraben. Denn der bisherige Präsident Magufuli wurde mit 84 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut zum Sieger der Präsidentschaftswahlen ernannt. Er bleibt damit alter und neuer Präsident der Zentralregierung des Landes, welches sich in das Festland von Tansania und die Sansibar-Inseln aufteilt. Außerdem hat Magufulis CCM, laut offizieller Angaben, 99 Prozent der 264 Sitzen des Parlaments bekommen. Demnach stehen der Opposition lediglich zwei Abgeordnete aus dem Festland und zwei aus den Sansibar-Inseln zu.
Sansibar verfügt als halb-autonome Region der Republik Tansania über eine eigene Regierung und wählt einen eigenen Präsidenten. Traditionell sind die politischen Auseinandersetzungen auf Sansibar besonders konfliktbeladen, gerade auch das Thema der Unabhängigkeit vom Festland hat in den letzten Jahren mit der Uamsho-Bewegung wieder sehr an Brisanz gewonnen. Im Unterschied zum Festland gibt es auf Sansibar seit Beginn der 1990er Jahre eine starke Opposition.
Auf Sansibar standen alle Zeichen auf Sieg der Opposition
Seit der Einführung des Mehrparteiensystems in Tansania konkurrierte auf Sansibar die Regierungspartei CCM mit der eher neoliberal islamisch geprägten Civic United Front (CUF). Dabei unterschieden sich die jeweiligen Wahlergebnisse oft nur um wenige Prozentpunkte. Bei der Wahl 2010 betrug der Vorsprung der Regierungspartei, mit nur etwas mehr als 3.000 Stimmen, nicht einmal 1 Prozent. 2015 wurden die Wahlen, dessen Sieg die Oppositionspartei CUF für sich proklamierte, aufgrund angeblicher Unregelmäßigkeiten annulliert. Die CUF boykottierte daraufhin die angesetzten Neuwahlen.
Umso erstaunlicher ist es nun, dass selbst auf Sansibar der Präsidentschaftskandidat der Regierungspartei CCM, Hussein Mwinyi, mit 76 Prozent der Stimmen zum Sieger gekürt wurde. Ein unglaubwürdiges Ergebnis. Noch nie konnte CCM einen so deutlichen Vorsprung auf Sansibar für sich verbuchen.
Auch in diesem Jahr standen die Zeichen auf Sieg der Oppositionspartei. Der populäre und beliebte CUF-Präsidentschaftskandidat Seif Sharif Hamad wechselte zu ACT Wazalendo. Die Mehrheit seiner Parteianhänger*innen folgten ihm und machten ACT Wazalendo zur stärksten Oppositionspartei auf Sansibar. Ein Sieg des nun ACT-Kandidaten, der bereits zum sechsten Mal gegen den Kandidaten der Regierungspartei antrat, galt in diesem Jahr als wahrscheinlicher denn je, zumal auch die größte Oppositionspartei des Festlands, CHADEMA ihre Anhänger*innen zur Unterstützung Hamads aufgerufen hatte. Im Vergleich zu Hamad war der CCM Kandidat Hussein Mwinyi eher unbekannt und profillos.
Während der Urnengang auf dem Festland weitgehend friedlich ablief, wurde auf Sansibar massiv gestört. Extremer Militärpräsenz, Ausschreitungen mit bis zu zehn Toten und Polizeigewalt gegen die Opposition prägten das Bild. Der ACT-Vize Nassor Mazrui wurde nachts in seinem Haus brutal angegriffen und für mehr als zwei Wochen in Gewahrsam genommen. Am 29.10.2020 wurde die gesamte Führungsriege der größten Oppositionspartei ACT Wazalendo in Sansibar ebenfalls verhaftet.
Viele Beobachter*innen hatten sich gefragt, ob die regierende CCM einen Machtwechsel akzeptieren würde. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses kann diese Frage klar mit Nein beantwortet werden. Laut Meldungen der Wahlkommission geht der CCM-Kandidat Mwinyi mit 76 Prozent der Stimmen als Gewinner aus der Wahl hervor, während die Opposition mit 19 Prozent das schlechteste Ergebnis aller Zeiten erzielt haben soll.
Keine Chance für einen Machtwechsel
Die Oppositionsparteien CHADEMA und ACT Wazalendo widersprachen dem Wahlergebnis. Sie warfen der Nationalen Wahlkommission Manipulation und Wahlbetrug vor.
Die Parteinahme der Kommission für die regierende CCM hatte sich schon vor den Wahlen abgezeichnet. Oppositionskandidat*innen wurden nicht zugelassen, was unter anderem dazu führte, dass 28 Parlamentsabgeordnete und 870 „ward counsellors“, ausschließlich CCM-Vertreter*innen, konkurrenzlos antraten. Öffentliche Auftritte wurden untersagt, der Wahlkampf wurde eingeschränkt. Wegen den Verhaftungen, abgebrannten Wahlbüros und Gewalt der Polizei gegen Oppositionsmitglieder kann kaum von freien und fairen Wahlen gesprochen werden. Die Apelle zahlreicher internationaler Staatenvertreter*innen, der UN, zivilgesellschaftlicher Organisationen und der europäischen Linken an die tansanische Regierung friedliche, freie und faire Wahlen zu gewährleisten, blieben erfolglos.
Die zugelassenen internationalen Wahlbeobachtungsmissionen standen ebenfalls unter dem Verdacht der Einseitigkeit. Doch selbst sie sind von Wahlergebnissen nicht ganz überzeugt. Während die Wahlbeobachtungsmissionen der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) einen freien, fairen und rechtmäßigen Verlauf bestätigt, betont das Electoral Institute for Sustainable Democracy in Africa (EISA) Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse, sieht Unregelmäßigkeiten im Prozess und bezeichnet die Wahlen weder als frei noch fair. In ihrem Bericht rufen beide Missionen die Oppositionsparteien dazu auf, ihre Beschwerden in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Wahlgesetzen vorzubringen, um den Frieden und Sicherheit in Tansania nicht zu gefährden.
Die rechtlichen Möglichkeiten des Widerrufes sind allerdings sehr begrenzt. Laut tansanischer Verfassung gibt es keine Möglichkeit die Wahlen juristisch anzufechten, sobald diese von der Wahlkommission bestätigt sind.
Das Ende der Demokratie in Tansania?
CHADEMA und ACT Wazalendo protestierten nach der Wahl gemeinsam und riefen für den 2. November 2020 zu friedlichen Demonstrationen auf. Außerdem appellierten sie an internationale Beobachter*innen, die Wahlen nicht anzuerkennen. Die Sicherheitskräfte reagierten sofort mit der Verhaftung nahezu aller führenden Köpfe der Opposition. Der massive Präsenz der Sicherheitskräfte in den Straßen verhinderte den öffentlichen Protest. Zahlreiche führende Oppositionsmitglieder sind nach wie vor in Haft. Ihnen droht eine Anklage wegen Terrorismus.
Die bislang sehr zurückhaltende bis indifferente internationale Reaktion trägt dazu bei, die autokratische Herrschaft von Magufuli zu befestigen. Selbst Tundu Lissu, der nach einem Attentat im Jahr 2017 breite internationale Unterstützung genoss, wurde zunächst sowohl bei den europäischen als auch der US-Botschaft abgewiesen, als er Schutz suchte. Nach mehrstündigem Warten wurde er schließlich von der tansanischen Polizei abgeführt. Nachdem er massiv bedroht und von der Polizei verhört wurde, flüchtete er nach Belgien.
Die Kritik an Präsident Magufulis autoritärem Führungsstil nimmt zwar zu, die Zukunft der jungen Demokratie Tansanias steht jedoch im Zweifel.
Einerseits führte das Vorgehen der Regierung in der Gesellschaft zu einer gedrückten und angstvollen Stimmung. Andererseits konnte Magufuli in den vergangenen fünf Jahren durch sein vehementes Durchgreifen gegen die Korruption, durch Verbesserung der Leistungen der Verwaltung und Infrastruktur sowie der Erhöhung des Steueraufkommens viele seiner Anhänger*innen begeistern.
Aufgrund der Unterdrückung des Protests und der Einschränkung sozialer Medien werden vermutlich keine zivilgesellschaftlichen Bewegungen im Land entstehen, keine größeren öffentlichen Proteste stattfinden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die stark manipulierten Wahlen negative Auswirkungen auf das demokratische System im Land haben werden.
Die offiziellen Ergebnisse bedeuten nur eines: die alte und neue Regierungspartei kann auch im Parlament uneingeschränkt durchregieren und kann, wenn sie möchte, auch die Verfassung ändern.
Deshalb sprechen zahlreiche Analyst*innen bereits von einer Rückkehr des Einparteiensystems durch die Hintertür. Ob und inwieweit sich die Demokratie in Tansania behaupten kann, hängt nur noch davon ab, wie Präsident Magufuli seine neuen Möglichkeiten nutzen wird. Ein Blick auf die vergangenen Jahre lässt fürchten, dass die Tage der Demokratie in Tansania gezählt sind.
Britta Becker arbeitet in der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Referentin für Südliches Afrika und Ostafrika.
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