Allianzen und Absprachen gegen eine zweite Amtszeit: Zu den Wahlen in Tansania
Bereits am Dienstag starteten daher erste Abstimmungen nur für Sicherheitskräfte auf den Sansibar Inseln. Die Situation dort gilt als besonders sensibel, da es bereits bei den letzten Wahlen 2015 zu massiven Unruhen und Protesten wegen Manipulationen bei den Stimmenauszählungen kam. Die Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (CCM) ging daher als Gewinnerin aus den Wahlen hervor. Das Ergebnis wurde von Teilen der aussichtsreichsten Oppositionspartei, der liberal eingestellten Civic United Front (CUF) angezweifelt und nicht akzeptiert. Nicht nur dadurch, auch aufgrund interner Spannungen, spaltete sich die CUF im letzten Jahr. Der größte und regierungskritische Teil wechselte mit ihrem Anführer Seif Sharif Hamad in die eher links-sozialistische Festlandspartei ACT Wazalendo.
Hamad tritt nun in diesem Jahr erneut als Präsidentschaftskandidat an, diesmal für die ACT auf Sansibar. Er gilt erneut als aussichtsreicher Kandidat. Von der Regierungspartei CCM tritt Hussein Ali Mwinyi an. Als Sohn des ehemaligen Präsidenten Ali Hassan Mwinyi, hat er innerhalb der CCM eine steile politische Karriere beschritten. Derzeit hat er das Amt des Ministers für Verteidigung und Staatssicherheit inne. Anders als Hamad wird ihm kein Bezug zu den Sansibar Inseln zugeschrieben. Die eher konservative Partei CHADEMA hat dazu aufgerufen den ACT Kandidaten zu wählen und sich hinter Hamad gestellt.
Nicht nur die vergangenen Ereignisse überschatten die gegenwärtigen Wahlen. Immer wieder treten Gerüchte über gefälschte Wählerlisten auf. Die Bevölkerung verunsichert die Intransparenz über den Personenkreis, der bereits abstimmen durfte. Das allgemeine Misstrauen gegenüber den Behörden sitzt daher tief. Bereits am Vorabend der Wahl kam es zu massiven Protesten der Opposition auf den verschiedenen Inseln. Diese wurden gewaltsam niedergeschlagen und Schusswaffen eingesetzt. Nach mehreren Medienberichten sind bereits mehrere Tote, hunderte Verletzte und etliche Verhaftete zu beklagen. Unter ihnen befindet sich auch der ACT Präsidentschaftskandidat Hamad. Eine weitere Eskalation der Gewalt ist daher nicht auszuschließen.
Festland Tansania: CCM gegen CHADEMA
Auf dem Festland stellen sich insgesamt 15 Kandidaten zur Wahl. Der amtierende Präsident Dr. John Magufuli von der Partei CCM tritt für eine zweite Amtszeit an. Sein größter Konkurrent ist der CHADEMA Kandidat Tundu Lissu. Allen weiteren Kandidaten dürfte eine eher untergeordnete Rolle beigemessen werden. Die ACT, die mit einem eigenen Kandidaten, dem früheren Außenminister und ehemaligen CCM-Mitglied Bernard Membe in den Wahlkampf gegangen ist, hatte eine Woche vor der Wahl dazu aufgerufen Lissu als Präsident zu wählen. Im Gegenzug dazu rief Lissu auf, den ACT-Kandidaten Hamad auf Sansibar zu wählen.
Die gegenseitigen Unterstützungsaussagen sind ein deutliches Zeichen, dass sich die Opposition über ideologische Differenzen hinweg miteinander vereint, um den Magufuli aus dem Amt zu heben. Dazu Kabwe im südafrikanischen Daily Maverick: „Zu oft haben in unserer Region und auf unserem Kontinent kleinliche Eigeninteressen das, was für die Menschen am besten ist, übertrumpft." Kabwe erklärt in seinem Statement weiter, dass diese Unterstützung nur für die Präsidentschaftswahl gelte. Für lokale Posten und Parlamentssitze treten die ACT-Kandidat*innen auch in Konkurrenz zu CHADEMA an. Ferner ließ er verlauten: "Machen Sie keinen Fehler, ich werde Präsident Lissu im Parlament zur Rechenschaft ziehen. Ich werde ihn unterstützen, wenn er sich gut macht. Aber ich werde nicht zögern, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, wenn er Unrecht tut." Durch den späten Schulterschluss sind die Chancen der Opposition gestiegen, Präsidenten Magufuli eine zweite Amtszeit zu verweigern. Denn das ist der starke Kitt, der die Opposition über ideologische Differenzen hinweg zusammenhält.
Der Wahlkampf: Weiteres Zeichen des Autoritarismus
Die Befürchtungen der Opposition, dass sich Magufuli nicht leicht aus dem Amt drängen lässt, sind groß. Zu viele neue Gesetze und Verordnungen führten seit Beginn seiner Regierungszeit zu Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit sowie der allgemeinen politischen Handlungsspielräume. Im Wahlkampf zeigte sich wie unter einem Brennglas, der autokratische Stil des Präsidenten. Immer wieder kam es zu Schwierigkeiten bei der Zulassung von Oppositionspolitiker*innen, zeitweise wurde ihnen die Durchführung des Wahlkampfes untersagt.
Dabei trat Magufuli seine erste Amtszeit 2015 mit zwei großen Versprechen an. Eine deutliche Steigerung des Bruttoinlandproduktes verbunden mit einer Verringerung der Arbeitslosigkeit sowie den harten Kampf gegen die Korruption im Land, insbesondere in den Reihen der Staatsangestellten zu führen. Magufuli gelang es den Staatsapparat deutlich effizienter zu gestalten. Verträge mit multinationalen Unternehmen wurden aufgehoben und einer Überprüfung unterzogen. So erreichte Tansania deutlich früher als erwartet den, von der Weltbank erklärten, Status eines „Landes mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen“. Innerhalb des Staatsapparates wurden zehntausende sogenannte Geistermitarbeiter aufgedeckt und es gelang mehrere Millionen Steuergelder einzusparen. Er selbst ging innerhalb seiner Antikorruptionskampagne mit gutem Beispiel voran, kürzte sich das Einkommen, verzichtete auf kostspielige Auslandsreisen sowie unnötige Privilegien und untersagte dies auch anderen Mitgliedern des Kabinetts. Von Regierungsbeamten widerrechtlich angeeignete Grundstücke wurden in den öffentlichen Besitz zurückgeführt. Insbesondere bei der unterprivilegierten Bevölkerung Tansanias stilisierte er sich als Verteidiger ihrer Interessen.
Magufuli ging an die Grenzen, des durch die tansanische Verfassung eingeräumten Machtspielraumes. Während seiner Amtszeit kam es zu einer immer stärkeren Zentralisierung der Macht. Dies wurde hauptsächlich damit begründet, der Korruption in den lokalen Strukturen entgegenzuwirken und Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.
Nicht nur parteiintern lässt Magufuli kaum Widerspruch zu und fordert unbedingte Loyalität. Auch nach außen begannen schnell Einschränkungen des politischen Handelsspielraumes. Parteien mussten auf politische Aktionen verzichten, Parteiversammlungen wurden verboten. Immer wieder kam es zu Verhaftungen und Vorwürfen wegen Staatsverrates.
Das Gesetz über Cyberkriminalität (2015) zum Beispiel wurde genutzt, um gegen politisch aktive Bürger vorzugehen, einschließlich der strafrechtlichen Verfolgung von Journalisten wegen ihrer Beiträge in den sozialen Medien. Das Media Service Act (2016) war in den vergangenen vier Jahren das Hauptinstrument für das Verbot von Zeitungen. Zuletzt wurde Juni 2020 der Druck und die Verbreitung der tansanischen Zeitung Daima innerhalb und außerhalb Tansanias verboten. Die Regelungen zu Online-Inhalten in Form eines Gesetzes zur Cybersicherheit haben dazu beigetragen, das Aufkommen und das Wachstum von Online-Medien, einschließlich Radio- und Fernsehsendungen, stark zu unterdrücken. Im Ergebnis sank Tansania im Index für Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" von Rang 70 auf Rang 124. Gesamtgesellschaftlich brachte Magufuli Tansania auf einen extrem konservativen Kurs. Dieser richtet sich insbesondere gegen die Emanzipation von Frauen und gegen Homosexualität.
Im Namen der Opposition kritisieren dagegen Lissu und Kabwe den politischen Autoritarismus Magufulis, der bereits früh nach seiner Wahl eingezogen ist. Den Wahlkampf nur auf einen Disput zwischen "Wirtschaftliches Wachstum" - wofür Magufuli sich selbst sieht - gegen "bürgerliche Freiheiten", was der Opposition zugeschrieben wird, zu reduzieren, greift jedoch zu kurz.
Sowohl CHADEMA als auch ACT-Wazalendo sprechen sich für einen universellen Zugang zum Gesundheitswesen und für einen Ausbau des Bildungssystems aus. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Magufuli bereits im Mai Tansania Corona-frei erklärte, die Testung einstellte und nun für die Gesundheit der Bevölkerung beten wollte. Wirtschaftspolitisch hat sich die linke ACT in den vergangenen Monaten der CHADEMA angeglichen. Sie stehen für ein liberales Gesellschaftsmodell und sind eher in der urbanen Bevölkerung verankert. Insgesamt gilt jedoch insbesondere Lissu vielen als eine Marionette westlicher Interessen.
Der Wahltag und die Rolle der Wahlkommission
Im Vorfeld der Wahlen kritisierte die Opposition immer wieder die Zusammensetzung der Wahlkommission. Das eigentlich als neutral und unparteiisch gedachte Gremium wurde ausschließlich durch regierungsnahe Mitglieder besetzt. Wiederholt kam es zu Vorwürfen von Beeinflussung und Fälschung. Die Opposition hat sich auf eine Überwachung der Stimmenauszählungen vorbereitet, glaubt aber aufgrund der Intransparenz des Zählverfahrens keine Ergebnisse liefern zu können. Auch gab es Meldungen, dass Vertreter*innen der Opposition Zugänge als Auswahlbeobachter*innen verwehrt wurden
Im Juni 2020 veröffentlichte die Nationale Wahlkommission die Liste der für die Wahlbeobachtung akkreditierten Menschenrechtsorganisationen des Landes. Zwei angesehene Organisationen, das Legal and Human Rights Centre und die Tansanische Bischofskonferenz, die seit der Rückkehr der Mehrparteienpolitik 1995 die Wahlen in Tansania beobachten, fehlten auf der Liste. Internationale Beobachter*innen - auch aus der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC), oft das entscheidende Rädchen bei der Überwachung problematischer Wahlprozesse in Afrika, wurden im Wesentlichen durch ein komplexes und undurchsichtiges Akkreditierungsverfahren aus dem Wahlkalender für 2020 ausgeschlossen. Insgesamt sind nur wenige Wahlbeobachter*innen aus der Ostafrikanischen Gemeinschaft im Land vertreten.
Eine Vorhersage über einen möglichen Wahlausgang zu machen fällt schwer. Die tansanische Regierung verbietet Wahlumfragen. Bei der Wahlprognose eines kenianischen Institutes liegt Magufuli mit 80 Prozent des Stimmenanteils weit vorn. CHADEMA selbst behauptet ebenfalls 80 Prozent der Stimmen für sich gewinnen zu können. Unklar ist also nicht nur der Wahlausgang, sondern wie die Wahl verläuft und ob Ergebnisse akzeptiert werden. Nicht nur die Verhafteten und Toten auf Sansibar lassen Schlimmes ahnen. In Medienmeldungen vom Wahltag wird berichtet, dass die sozialen Netzwerke wie WhatsApp und Twitter in ganz Tansania blockiert wurden und nur über virtuelle private Netzwerke (VPN) zugänglich sind.
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