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Bundeswehr-Einsatz in Mali

Militäreinsatz gescheitert

von Christine Buchholz

19.5.2022


Die Bundesregierung wird die Ausbildungsmission EUTM Mali verkleinern, die Soldat*innen in den Niger verlegen und die Beteiligung am UN-Militäreinsatz MINUSMA ausweiten. Die richtige Konsequenz aus dem Scheitern der Militäreinsätze in Mali, wäre es beide Einsätze zu beenden, meint DIE LINKE. Sie hat die Bundeswehreinsätze immer abgelehnt. Stattdessen fordert sie ein Ende der Sanktionen gegen Mali, eine massive Ausweitung der humanitären Hilfe sowie wie ein Verbot von Waffenexporten und ein Ende der europäischen Abschottungspolitik. Warum ist die Bundeswehr eigentlich in Mali? Was steht hinter dem Einsatz? Warum ist Frankreich abgezogen und was wäre jetzt nötig, um Linke und alle diejenige zu unterstützen, die in Mali für Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit kämpfen?

2013 wurde der Bundeswehr das erste Mal ein Mandat für den Einsatz in Mali erteilt. Zuvor hatte die Bundeswehr bereits Luftbetankung für französische Kampfjets bereitgestellt. Dem ging ein Aufstand der immer wieder marginalisierten Tuareg im Norden Malis voraus. Tuareg-Rebellen, von denen einige als Söldner für Gaddafi im Krieg waren, kehrten nach dem Sturz Gaddafis schwer bewaffnet nach Mali zurück, verbündeten sich mit dschihadistischen Milizen und übernahmen die Kontrolle im Norden Malis.

Im März 2012 brach ein Konflikt im malischen Militär auf. Ein Unteroffizier führte in Bamako einen Putsch gegen den bisherigen Präsidenten Touré an – das System fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus.

Als zwei Gruppen von Dschihadisten Richtung Süden des Landes marschieren wollten, rief die damalige Regierung im Januar 2012 die französische Regierung zur Hilfe. Diese begann mit dem Antiterror-Einsatz Serval, der später auf die gesamte Sahelregion ausgeweitet und in Barkhane umbenannt wurde. Diese Anti-Terror-Einsätze haben vielen Zivilisten das Leben gekostet. Genaue Zahlen gibt es nicht, da Frankreich sich nicht in die Karten schauen lässt. Im Januar 2021 wurde im Dorf Bounti eine Hochzeitsgesellschaft bombardiert. Die UN hat belegt, dass 22 Zivilisten starben. Frankreich behauptet, es wären Terroristen gewesen.

Die Militärmission MINUSMA wurde etabliert und ausgeweitet. Es ist eine Mission nach Kapitel VII der UN-Charta, mit 13.000 Soldat*innen ist es einer der größten UN-Einsätze und mit 260 getöteten Soldat*innen einer der tödlichsten. Die Bundeswehr ist bisher mit bis zu 1100 Soldat*innen beteiligt, die Bundesregierung will diesen Einsatz auf 1400 Soldat*innen ausweiten.

EUTM Mali wurde als Trainingsmission für die malische Armee begonnen und sukzessive auf die Ausbildung von Einheiten aus den Staaten der G5 Sahel ausgeweitet (Burkina Faso, Niger, Mauretanien, Tschad und Mali). Bis zu 600 deutsche Soldat*innen wurden dafür eingesetzt. Das Bundeswehrmandat zu EUTM Mali beinhaltete bis jetzt auch den Einsatz eines Verbandes der Kampfschwimmer der Marine. Sie bilden in der Mission „Gazelle“ Spezialeinheiten der nigrischen Armee aus. Die EU hat die Trainingsmission Anfang April diesen Jahres „temporär und reversibel“ ausgesetzt. Die Bundesregierung verweist darauf, dass die malische Regierung keine Garantien geben wollte, dass die malische Armee nicht mit russischen Kräften zusammen operiere.

Zurück zu den Entwicklungen der letzten Jahre: Im Herbst 2013 wurde Ibrahim Bouboucar Keita (IBK) auf Betreiben Frankreichs zum Präsidenten gewählt. IBK ging  die dringlichen Probleme in Mali wie Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption nicht an. Die Korruption blühte dagegen weiter auf. IBK stand für einen Teil der politischen Klasse, die sich schamlos bereicherte, gemeinsame Sache mit Frankreich sowie den pro-westlichen Eliten anderer afrikanischer Staaten machte und sich um die Sorgen der normalen Malier*innen nicht scherte. Deshalb forderte im Jahr 2020 eine Massenbewegung den Sturz von IBK. Er wurde im August 2020 durch einen unblutigen Putsch aus dem Amt gejagt. Seitdem ist eine Militärjunta rund um den ehemaligen Spezialkräfte-Offizier Assimi Goita an der Macht.

Die breite Massenbewegung umfasste neben Gewerkschaften, Anhänger*innen des populären Predigers Mahmoud Dicko, Vertreter*innen der globalisierungskritischen Bewegung, Anti-Korruptions-Aktivist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen sowie Linke wie die Schwesterpartei der LINKEN, SADI. Die Bewegung M5-RFP rief zu Aktionen zivilen Ungehorsams auf. Straßensperren legten den Verkehr lahm, während Streiks Schulen, Gesundheitswesen und Justiz zum Erliegen brachten. Die Antwort der Regierung war Repression: Die von Frankreich aufgebaute und durch die EU-Ausbildungsmission EUTM Mali trainierte Antiterroreinheit Force spéciale antiterroriste (FORSAT) eröffnete das Feuer auf Zivilisten. Mindestens 14 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Inzwischen hat es Spaltungen in der Bewegung gegeben, unter anderem spielt das Verhältnis zum Militär eine Rolle. Unterschiedliche Teile der Bewegung haben verschiedene Auffassungen zu politischen Entscheidungen. Es hat auch Repression gegeben – wie die Verhaftung von Oumar Mariko, dem Generalsekretär von SADI.

Was aber auch klar ist: auch wenn das Agieren der Regierung mehr als widersprüchlich ist, eine Mehrheit der Bevölkerung unterstützt ihren Kurs gegen Frankreich und gegen Teile der alten korrupten Elite. Ein Aufruf der Militärregierung zu Protesten gegen die westlichen Sanktionen, dem tausende Menschen folgten, unterstreicht das. Das muss man wissen, wenn man die Regierung beurteilt. Die Bundesregierung und alle anderen, die die Militärmissionen unterstützt haben, haben die Kooperation mit der korrupten und repressiven Regierung von IBK nie infrage gestellt. Ihre Kritik an der jetzigen Regierung ist nichts als Heuchelei. So war z.B. die Verschiebung der Wahlen nicht zwangsläufig ein Schritt in Richtung Diktatur, sondern eine Forderung, die auf nationalen Basisversammlungen von 80.000 Leuten, die im Dezember stattgefunden haben, erhoben worden. Sie forderten, das politische System zu erneuern.

Die Sanktionen, die von den ECOWAS-Staaten verhängt und die von Frankreich und den EU-Staaten unterstützt werden, helfen nicht denen, die für die Erneuerung der Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden kämpfenund sind fatal für die von Armut gebeutelte Bevölkerung. Deshalb sind sie abzulehnen.

Die Motivation der Bundesregierung, sich an den Einsätzen zu beteiligen bringt Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik auf dem Punkt:

„Für die Bundesregierung kam die Einrichtung der EUTM Mali wie gerufen, denn sie suchte zu diesem Zeitpunkt schon nach Möglichkeiten, ihr Konzept der »Ertüchtigung« anzuwenden. Dass Deutschland eines der größten Kontingente in der EUTM Mali stellte, lag aber auch daran, dass es im europäischen Rahmen Solidarität mit Frankreich zeigen musste. Für die MINUSMA dagegen blieb der deutsche Beitrag zunächst sehr begrenzt. Erst Ende 2015 beschloss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, das Engagement bei der MINUSMA beträchtlich auszuweiten. Ausschlaggebend dafür war die Ambition, politisch sichtbar zusätzliche Verantwortung in einer VN-Mission zu übernehmen, um die deutsche Bewerbung für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat zu untermauern.

Seit Jahren gibt es wie beschrieben Berichte über Übergriffe und Massaker durch die malische Armee und mit der ehemaligen Regierung verbündeten Milizen. Im April dieses Jahres wurden 300 Männer durch die malische Armee und – so die Vermutung – russische Einheiten in Moura, Provinz Mopti, exekutiert. Dieses Massaker ist furchtbar und die Sorge, dass es ähnlich brutale angebliche  „Anti-Terror-Operationen“ auch in Zukunft geben könnte ist besorgniserregend. Die Verlautbarungen der Bundesregierung hingegen, die Zusammenarbeit von malischen Soldaten „mit russischen Kräften in Mali, bei deren Aktionen es offenbar mehrfach zu Menschenrechtsverletzungen (…) gekommen ist“, sei nicht „hinnehmbar“, ist Heuchelei. Denn das Massaker von Moura steht in einer Kontinuität mit den Übergriffen, die bisher auch von Frankreich und der Bundesregierung als Kollateralschaden des Antiterrorkampfes hingenommen wurden.

Dass die Regierung Goita unter dem internationalen Druck und den Sanktionen auch nach innen immer repressiver wird und Gegenwehr erschwert wird, was sich auch in der Repression gegen unsere Schwesterpartei SADI ausdrückt, kritisieren wir. Die doppelzüngige Kritik Frankreichs und der mit Frankreich verbündeten Staaten bewirkt hingegen nur, dass Goita mehr Unterstützung in der Bevölkerung mobilisieren kann.

Den Entscheidungen der Ampel-Koalition zu Mali geht die Ankündigung des Rückzugs der französischen Armee aus Mali voraus. Am 17. Februar 2022 erklärte die französische Regierung, die Truppen der Anti-Terror-Operation Barkhane aus Mali abzuziehen. Zentrale Begründung ist die Verschiebung von Wahlen seitens der malischen Regierung, sowie die angekündigte Verlegung französischer Truppen aus Mali in andere Länder der Sahelzone. Bereits im Juni 2021 hatte die französische Regierung den Abzug erwogen. Hinter der Entscheidung steht das offenkundige Scheitern des Anti-Terror-Krieges in Mali. Ähnlich wie in Afghanistan haben die intervenierenden Staaten nicht nur eine Ausweitung des Terrorismus mitzuverantworten. Ihre Zusammenarbeit mit den korrupten alten Eliten, hat die Entfremdung von der Masse der Bevölkerung vorangetrieben.

Die Bundesregierung hat sich ebenfalls am 17. Februar gemeinsam mit Frankreich und 23 weiteren Ländern, der EU-Kommission, dem Rat der EU, der so genannten „Sahel-Koalition“ und der AU-Komission an die Öffentlichkeit gewandt mit einer „Gemeinsamen Erklärung zum Kampf gegen die terroristische Gefahr und in Unterstützung von Frieden und Sicherheit im Sahel und in Westafrika“[i]. Darunter  mehrere europäische Regierungen, die seit März 2020 militärische Verbände für die Spezialkräfteoperation Takuba zur Unterstützung von Barkhane zur Verfügung stellen. Diese Truppe soll nun ebenfalls von Mali nach Niger verlegt werden.

Es ist unstrittig, dass die beteiligten Staaten sowohl am so genannten Anti-Terror Kampf als auch an der Flüchtlingsabwehr in der Sahel-Region festhalten. Niger scheint dafür das neue Zentrum zu werden. Doch auch hier formiert sich, wie im Nachbarland Burkina Faso, Protest gegen die westliche Militärpräsenz. Im März gab es einen Putschversuch gegen den nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum.

Für DIE LINKE heißt es, folgende Punkte ins Zentrum der Auseinandersetzung zu rücken:

  1. Auch in Mali zeigt sich, dass mit Militärinterventionen und immer mehr Soldat*innen im Land die Situation im Land nicht sicherer wird, sondern unsicherer. Die Zonen der Unsicherheit haben sich weit ins Zentrum und den Süden des Landes und über die Landesgrenzen hinaus ausgeweitet.
  1. Die Niederlage Frankreichs ist auch eine der Bundesregierung. Das Trugbild eines humanitären Einsatzes entspricht nicht der Realität. Die Bundesregierung hat sich zwar selbst nicht an Barkhane und Takuba beteiligt, aber diese immer politisch, teilweise auch logistisch gestützt. EUTM, MINUSMA und Barkhane waren formell getrennt. Doch vor Ort arbeiten deutsche und französische Streitkräfte eng und arbeitsteilig zusammen. Die Bundeswehr unterstützt so indirekt die französischen Kampfeinsätze und trägt deshalb eine Mitverantwortung.
  1. Der Bundesregierung ging es um geopolitische Ambitionen und Flüchtlingsabwehr – nicht um die Menschen in Mali. Lehre aus dem Desaster in Afghanistan zu ziehen, muss heißen: Bundeswehr raus aus Mali und dem Sahel. Die Bundesregierung darf Sanktionen gegen die malische Bevölkerung nicht unterstützen, sondern muss aktiv für ihre Aufhebung eintreten.
  2. Die Kritik Frankreichs und der Bundesregierung an der Übergangsregierung ist heuchlerisch. Auch Basisbewegungen unterstützen Forderungen nach einer Verschiebung der Wahlen, da schnelle Wahlen das alte System begünstigen würden. Vor allem hat die Bundesregierung nie Probleme mit der korrupten alten Regierung gehabt, die zurecht aus dem Amt gejagt wurde. Und sie hat keine Probleme Waffen an Saudi Arabien, Ägypten oder den NATO-Partner Türkei zu schicken – allesamt diktatorische Regime.
  3. Die Probleme in Mali sind nicht erst 2012 entstanden, erst recht nicht 2020. Mali hat in den 1990er Jahren drastische Strukturanpassungsprogramme erlebt. Die Verarmung, Verzweiflung und auch die Bereitschaft von Teilen der Bevölkerung, sich auf Kriminelle oder Dschihadisten einzulassen, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Eine linke Antwort auf die Krise der Gesellschaften in der Sahelzone muss heißen:

- Stopp von Waffenlieferungen

- Keine Militärintervention

- Stopp der neoliberalen Freihandelspolitik

- Solidarische Flüchtlingspolitik

- Klimawandel bekämpfen

Oder um es mit den Worten von Aminata Dramané Traoré, Globalisierungskritikerin und prominente malische Linke zu sagen: „Angesichts dieser Situation sollte ganz Afrika wie ein Mann dafür kämpfen, »die Waffen zum Schweigen zu bringen«, anstatt im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus Waffen zu fordern, ganz gleich, woher sie kommen. Es muss ethischere Wege der Zusammenarbeit zwischen Nationen geben als diese Koalition gegen Mali. Es ist nur an der Zeit, die Waffen zum Schweigen zu bringen, indem die ausländischen Truppen vollständig und so schnell wie möglich abgezogen werden. Unsere Staaten müssen nicht beweisen, dass sie stark und männlich sind, wenn sie den Terrorismus mit Waffengewalt bekämpfen. Es geht darum, konkret abgestimmte und nachhaltige Antworten auf die Übel zu finden, die den Terrorismus hervorgebracht haben und ihn aufrechterhalten. Diese sind wirtschaftlicher, politischer und geopolitischer Natur.“


Christine Buchholz war zwischen 2009 und 2021 Mitglied des Bundestages für DIE LINKE, wo sie die Fraktion der LINKEN im Verteidigungsausschuss vertrat. Ab 2017 war sie auch Mitglied im Menschenrechtsausschuss des Bundestages.


 

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