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Neue Bundesregierung

Neuer Kurs in Deutschland?

Erwartungen aus dem Ausland

imago images / Winfried Rothermel

12.10.2021


Deutschland hat gewählt und es formiert sich bald eine neue Regierung. Auch im Ausland schaut man auf Deutschland, und auf den politischen Weg, den es einschlagen wird. Deutschland wird zugesprochen, eine Vorreiterrolle zu spielen, vor allem, wenn es um Klimaschutz geht. Wie die neue Regierung die Klimaschutzziele umsetzen wird, wird sich noch zeigen. Welche Erwartungen an die nächste Regierung aus linker Perspektive im Ausland gestellt werden, zeigen die Beispiele quer über die Kontinente aus der Türkei, dem Iran, Malaysia, Ungarn und Kuba:

Dr. Michael Jeyakumar Devaraj, Vorsitzender der Sozialistischen Partei Malaysia:

„Die grundlegende Botschaft von uns an die nächste deutsche Bundesregierung lautet: Deutschland als einer der am weitesten entwickelten Volkswirtschaften hat eine wichtige Rolle zu spielen, um den Weg zum Aufbau einer gerechten Gesellschaft zu demonstrieren und ihn voranzutreiben. Die nächste deutsche Bundesregierung sollte internationale Bemühungen um eine gerechtere Verteilung des sozialen Reichtums in der Welt initiieren und unterstützen. Sie sollte zur Verteilung der Impfstoffe an Entwicklungsländer zur Bekämpfung der Pandemie und zur Bewältigung der Klimakrise beitragen.“

Mehdi Ebrahimzadeh, Vorsitzender der Internationalen Kommission der Linkspartei Iran

„Wir erwarten von der zukünftigen Bundesregierung eine Außenpolitik die Abrüstung zum Schwerpunkt hat, keine militärischen Einsätze im Ausland unternimmt und ihre Politik im Nahen und Mittleren Osten sich vor allem an Frieden und Gerechtigkeit orientiert. Ebenso erwarten wir eine soziale und gerechte Wirtschaftspolitik.“

Ivet Lopez, Botschaftsrätin in der Botschaft der Republik Kuba

„Wir erhoffen uns von der neuen Bundesregierung eine konstruktive, respektvollere Entwicklung der bilateralen Beziehungen zu Kuba, sodass diese in Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft, Akademie, Tourismus, Kultur und Sport vertieft werden können und die Zusammenarbeit hinsichtlich der Bekämpfung des Klimawandels sich konsolidieren kann. Wir bringen unser Vertrauen zum Ausdruck, dass sie ihre Position in puncto Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade der USA gegen Kuba sowie im Hinblick auf ihre Wahlstimme für die jedes Jahr bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen von Kuba vorgelegte Resolution beibehält, welche die Blockade-Politik verurteilt und die von der größten Mehrheit der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird. Vom Vorteil wäre, wenn die neue Bundesregierung ihre Politik über wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überdenken würde, damit mehrere Länder unserer Region mit vielen Schwachstellen – einschließlich Kuba– davon profitieren können.“

Attila Vajnai, Vorsitzender der Arbeiterpartei Ungarns 2006

„In Ungarn hoffen wir, dass sich die politische Linie der Bundesregierung ändert. Wir hoffen, dass eine neue Regierung das Militärgeschäft nicht mehr unterstützt und Ungarn keine Panzer und schwere Waffen von Deutschland kauft. Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung in Ungarn die gleichen Regeln für Arbeiter und Gewerkschaften in Autofabriken einfordert wie in Deutschland.“

Leyla İmret, Co-Vorsitzende der HDP Deutschland

„Angesichts der politischen Lage in der Türkei fordern wir von der nächsten Bundesregierung, dass sie endlich tatkräftig gegen das Regime in Ankara vorgeht und sich für Sanktionen -u.a. auch Wirtschaftssanktionen- gegen diejenigen einsetzt, die die Gewalt in der Türkei zu verantworten haben. Die Rüstungsexporte in die Türkei müssen gestoppt werden. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre, keine Hermeskredite mehr für die Türkei zu genehmigen. Mit dem Flüchtlingsdeal hat sich Deutschland erpressbar gemacht und tut alles, um Erdogan bei Laune zu halten. Dieses ekelhafte Zusammenspiel muss beendet werden.

Weiterhin fordern wir die Beendigung der Diskriminierung der Kurd*innen in der Bundesrepublik. Die kurdische Gesellschaft erlebt tagtäglich den Rassismus in diesem Land. Gegen sie wird eine Kriminalisierungspolitik betrieben. Es ist das Recht der Kurden, ihre Identität frei zu zeigen und ihre Meinung frei zu äußern. Die vielen Hindernisse davor müssen aus dem Weg geräumt werden. In diesem Kontext muss die Einstufung der PKK als "Terrororganisation" aufgehoben werden. 

Des Weiteren muss die Bunderepublik aktiv dazu beitragen die Kurdenfrage in der Türkei zu lösen. Wir fordern von der neuen Bundesregierung, dass sie sich dafür einsetzt, dass das laufende Verbotsverfahren gegen die HDP unverzüglich beendet wird und die Urteile des EGMR in Bezug auf den ehemaligen Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas in der Türkei umgesetzt werden.

Kurzum: wir erwarten von der neuen Bundesregierung eine klare Distanzierung von dem autoritären Regime in der Türkei.“

Das Wahlergebnis der Partei DIE LINKE war desaströs, eine Regierungsbeteiligung steht in weiter Ferne. In welcher Konstellation Deutschland zukünftig regiert wird, wird derzeit verhandelt. Daher gibt es keine Garantie, dass die geäußerten Hoffnungen erfüllt werden. Sie werden wahrscheinlich vorerst Hoffnungen bleiben müssen.

 

Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.