Wenn’s ums Geld geht…
…ist der Unmut oft groß, aber noch größer ist offenbar der Unwille, etwas zu ändern. Das trifft nicht nur auf die EURO-Zone zu, sondern auch auf das Franc-CFA-System, das faktisch 14 west- und zentralafrikanische Länder sowie die Komoren von Anfang an zu einem Teil der EUROpäischen Währungsunion gemacht hat – ohne das EUropa jemals richtig Notiz davon genommen hätte; auch jetzt nicht, wo sich die Anzeichen für Ende des Franc-CFA-Systems – wieder einmal – mehren.
Demnächst, im Januar 2019, jährt sich zum zwanzigsten Mal die Gründung der EURO-Währungsunion mit zunächst elf EU-Mitgliedsländern sowie San Marino, Vatikanstadt und Monaco, die sich auf der Grundlage gesonderter Abkommen angeschlossen haben. Danach sind noch acht weitere Länder, u.a. Griechenland und Zypern, eingetreten und seit dem Beitritt von Litauen (2015) umfasst die EURO-Zone 23 staatliche Gebilde. Zu denen müssen allerdings genaugenommen noch weitere 14 west- und zentralafrikanische Länder sowie die Komoren1 gezählt werden, die sich seit Dezember 1945 mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich im Rahmen des Franc-CFA-Systems in einem Währungsverbund befinden, der heute unmittelbar an den EURO gekoppelt ist. Dieses koloniale Konstrukt hat nicht nur die Erlangung der politischen Unabhängigkeit durch beteiligten afrikanischen Staaten überstanden, es hat auch dazu geführt, dass diese Länder über die Anbindung des Franc CFA zu einem festen Wechselkurs und bei uneingeschränkter Konvertibilität 1999 faktisch Mitglieder der EURO-Zone wurden, wo sie freilich nicht selbst mit Sitz und Stimme präsent sind, sondern in schlechter, alter Kolonialmanier allein durch Frankreich „vertreten“ werden. Es gilt schlicht die Generalannahme, dass alles, was gut für die EURO-Länder ist, gleichfalls nur gut für die Mitgliedsländer des Franc-CFA-Systems sein kann.
Ganz im Gegensatz zum EURO, der bereits nach knapp zehn Jahren in eine bis heute anhaltende, schwere – möglicherweise existentielle – Krise geraten ist, hat sich das Franc-CFA-System, sieht man von der Abwertungskrise 1994 ab, als der Franc CFA 50 Prozent seines Wertes gegenüber dem französischen Franken einbüßte, in den beinahe 75 Jahren seiner Existenz als erstaunlich stabil erwiesen.
Dies kann vor allem auf zwei Umstände zurückgeführt werden. Erstens, während die EUropäische Währungsunion von Anfang an eine Union von Konkurrenten ist, die ca. 60 Prozent ihres Außenhandels an verarbeiteten Gütern untereinander abwickeln, spielt der Handel zwischen den afrikanischen Mitgliedsländern der Franc-CFA-Zone faktisch nur einen untergeordnete Rolle. Der Außenhandel mit dem Rest der Welt weist zudem eine klassisch-quasikoloniale Struktur auf – Rohstoffe und Agrarerzeugnisse gegen Fertigprodukte (vor allem aus Frankreich). Innerhalb der EURO-Zone fechten zu allem Überfluss deren wirtschaftlich stärksten Staaten (vor allem Deutschland und die Niederlande) – auf Kosten wachsender Handelsbilanzdefizite der schwächeren, vor allem südlichen EU-Staaten (Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Zypern) – einen Wettbewerb um möglichst geringe Lohnstückkosten aus, wodurch Leistungsbilanzungleichgewichte, und in Folge dessen die Verschuldung der EU-Süd-Länder, stark zu genommen und heute eine kritische Dimension erreicht haben, wie das Beispiel Italien zeigt.
Innerhalb des Franc-CFA-Systems garantieren, zweitens, die afrikanischen Mitglieder die unbeschränkte Konvertibilität des Franc CFA zum französische Franken (heute den EURO) dadurch selbst, dass sie 50 Prozent ihrer Devisenreserven beim französischen Schatzamt (Trésor français) hinterlegen müssen. Sollten die von den Franc-CFA-Ländern beim Trésor français geführten operativen Konten langfristig negative Salden aufzuweisen, würde der Franc CFA abgewertet – ein Instrument, dass den EURO-Zonenmitgliedern nicht (mehr) zur Verfügung steht. Aber natürlich ist eine Abwertung keineswegs im Interesse der afrikanischen Eliten. Denn schließlich profitieren gerade sie von der Umtauschgarantie und dem unbeschränkten Kapitaltransfer, weil sie ihr Geldvermögen so jederzeit außer Landes schaffen und in EURO umtauschen können. Deshalb gilt ihr besonderes Augenmerk auch einer Art vorauseilender Finanzdisziplin, die in einem positiven Saldo der operativen Konten ihren wichtigsten Ausdruck findet.
Für dieses Privileg sind sie bereit einen hohen Preis zu zahlen, der im Gegenzug Frankreich und mit Einführung des EURO auch anderen EU-Staaten erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringt.
Insbesondere eröffnet der Franc CFA den Zugriff auf wichtige Ressourcen wie Uran aus Niger oder Öl aus den Tschad, ohne dafür in Devisen (insbesondere US-Dollar) bezahlen zu müssen. EUropäischen Unternehmen ermöglicht das System Investitionen ohne Wechselkursrisiko und natürlich einen uneingeschränkten Gewinntransfer. Die Stabilität des Arrangements wird zudem dadurch gewährleistet, dass in den Aufsichtsräten der Zentralbanken der Franc-CFA-Zone Vertrete*innen Frankreichs sitzen, die über ein faktisches Vetorechtverfügen, da alle wichtigen Entscheidungen dort einstimmig getroffen werden müssen.
Für die afrikanischen Franc-CFA-Länder bringt das System zwar den durchaus zweifelhaften Vorzug mit sich, dass sie keine eigene, entwicklungsdienliche Geldpolitik machen müssen; dies aber eben auch nicht können. Genauso wie in EURO-Union die EZB tritt auch in der Franc-CFA-Zone die jeweilige Zentralbank den Einzelstaaten als fremde Macht gegenüber, die im Interesse der Geldwertstabilität ggf. eine auf mehr Beschäftigung zielende nationale Wirtschaftspolitik unterläuft. Im Zweifelsfall ist Investitionszurückhaltung – im Extremfall Austerität – das bevorzugte Mittel der Wahl; mit den nur zu gut bekannten Konsequenzen.2
Es verwundert daher nicht, dass die Kritik am Franc CFA insbesondere bei kritischen Ökonomen und Repräsentant*innen der Zivilgesellschaft in Afrika nicht abreißt und mitunter sogar Forderungen nach einem Ende der „monetären Knechtschaft“ laut werden. Aber in der Regel ist es wie beim Yo-Yo-Spiel, kaum ist die Forderung nach einem Ende des Franc CFA in aller Munde und scheinbar auf einem neuen Höhepunkt angekommen, schon ist sie auch wieder im Sinken begriffen, ohne allerdings ganz zu verschwinden. Das eigentlich makabre an diesem Auf und Ab war bislang der Zynismus der französischen Präsidenten. So wie seine Vorgänger stets seit den 1950er Jahren (als Guinea unter Sékou Touré den Ausstieg aus dem Franc CFA wagte) verkündete am 16. Dezember 2017 auch der neu gewählte Präsident Emmanuel Marcon in Dakar (Senegal), dass jeder, der möchte, dem Franc CFA ganz einfach „à dieu“ sagen könne.
https://international.die-linke.de/Und dann passiert das, was bislang immer passierte – nichts. Die Kritik ebbt ab, die Gemüter beruhigen sich, das Thema scheint vom Tisch. Freilich nur bis es erneut auf die politische Agenda zurückkehrt, wie zum Beispiel mit dem Plan der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft bis 2020 eine gemeinsame Währung einzuführen, der auf dem Treffen einer entsprechenden ECOWAS-Arbeitsgruppe am 21. Februar 2018 in Accra erneutbekräftigt wurde. Wie dieses Vorhaben jedoch umgesetzt werden könnte, ohne dass die acht Mitgliedsländer der westafrikanischen Franc-CFA-Zone diese verlassen und damit auflösen, steht in den Sternen. Aber solange die Präferenz der Eliten zur Sicherung ihrer Geldvermögen durch eine feste Anbindung des Franc CFA an den EURO die Oberhand behält, wird die regionale wirtschaftliche Integration immer nur die zweite Geige spielen (können).
Dr. Arndt Hopfmann ist Wirtschafts- und Handelspolitischer Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung
1 Die Franc-CFA-Zone zerfällt in zwei afrikanische Ländergruppen: (A) Westafrika mit Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo; (B) Zentralafrika mit Äquatorial-Guinea, Gabun, Kamerun, Republik Kongo (Brazzaville), Tschad und Zentralafrikanische Republik so wie die Inselgruppe der Komoren im Indischen Ozean. Frühere Mitglieder waren Guinea (bis 1960) sowie Mauretanien und Madagaskar (bis 1973).
2 Zur Kritik des Franc CFA haben Fanny Pigeaud und Ndongo Samba Sylla kürzlich ein Buch vorgelegt, in dessen Eingangskapiteln die Geschichte und die Funktionsweise des Franc-CFA-Systems populär dargestellt werden. Anschließend werden die problematischen ökonomisch-sozialen Konsequenzen und mögliche Wege zur Überwindung der über den Franc CFA reproduzierten Abhängigkeit von Frankreich sowie damit verbundene grundsätzliche Fragen eigenständiger (Wirtschafts)Entwicklung behandelt. – Pigeaud, Fanny/Ndongo Samba Sylla: L’Arme invisible de la Françafrique. Une histoire du franc CFA, La Découverte, Paris 2018 (227 Seiten); eine Rezension erscheint demnächst in der Zeitschrift Peripherie.
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