Von Handelskriegen und Scheingefechten - Anmerkungen zu einem Rückfall in tributäre Verhältnisse
So ganz unrecht hat Trump mit seiner Sicht auf die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU nicht. Im letzten Jahr betrug der Handelsbilanzüberschuss der EU gegenüber den USA nach Angaben von Trump ca. 150 Mrd. US-Dollar, wovon etwa 60 Mrd. auf Deutschland entfallen. Auch ist der durchschnittliche Außenzoll der EU deutlich höher als der der USA. Das Trump bzw. die USA sich gegen dieses – seit langem bestehende – außenwirtschaftliche Ungleichgewicht wehren, ist auch nach WTO-Regel opportun (vgl. Artikel XII des GATT-Abkommens). Insoweit sind die Proteste der EU gegen die von Trump nunmehr auch gegen die EU verhängten Strafzölle scheinheilig. Die EU-Staaten, allen voran Deutschland, benehmen sich wie Drogenabhängige, denen nach jahrelangem ungehindertem Rausch jetzt der kalte Entzug droht. Insbesondere hierzulande, wo bereits ein kurzzeitiges und eher geringes Außenhandelsdefizit als veritable Wirtschaftskrise gilt, verhält sich die Regierung so, als ob es eine Art natürliches Recht auf Handelsüberschüsse gäbe, das in anderen Ländern zwangsläufig Defizite also Schulden und Arbeitslosigkeit zur Folge habe. „Wer dauernd Überschüsse im Außenhandel macht, schädigt in der Tat die Defizitländer, da er mit seinen Produkten die der Defizitländer verdrängt und Arbeitslosigkeit in die Defizitländer exportiert“ (Heiner Flassbeck: Krieg auf den Finanzplätzen in: Neues Deutschland, vom 13. Januar 2017).
Ärgerlich ist nur, dass die berechtigte Kritik am Freihandelsaxiom und vor allem am deutschen währungspolitisch gestützten Merkantilismus, die von linken, progressiven Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft seit langem vorgebracht wird, die Freihandelskritiker in eine Reihe mit dem US-Präsidenten stellt. In der Tat hat das Auftreten Trumps inzwischen fast allen Protest gegen Freihandelsabkommen paralysiert. „Der Rechtspopulist Trump hat die einst links besetzte Globalisierungskritik gekapert“ (Guido Speckmann: Wo Trump Recht hat: Freihandel als Ideologie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2018).
Es geht um ein imperial-neoliberales Freihandelsregime
Letzterer strebt allerdings alles andere als eine Abkehr vom neoliberalen Freihandelsdogma an. Es geht vielmehr um ein imperial-neoliberales Freihandelsregime in der Version „America First“. Die rabiate Art und Weise in der er dabei vorgeht, hat jedoch dazu geführt, dass die seit langem schwelenden Widersprüche zwischen den USA und der EU, insbesondere zum deutschen Neo-Merkantilismus, offen zutage treten.
Dabei hat Donald Trump als gewiefter Immobilienmogul und notorischer Vertragsbrecher (vgl. Ibrahim Warde: Das Trump’sche Gesetz. monde-diplomatique.de/artikel/!5505165) lediglich entdeckt, dass er mit dem US-Markt über eine Art „Immobilie in Vorzugslage“ verfügt, auf der Fremde einträgliche Geschäfte machen, und dies auch noch zum Nachteil des Eigentümers. Folglich hat er sich entschlossen, diesem Treiben ein Ende zu setzen und in Zukunft Tribut für den Zugang zu dieser Vorzugslage einzufordern. Nichts anderes steckt hinter der spektakulären Androhung von „Strafzöllen“, – die jeweils rechtzeitig angekündigt wurden, damit den derart Bedrohten noch Zeit bleibt, „Entgegenkommen“ zu signalisieren und „Zugeständnisse“ zu machen, die faktisch einem Tribut gleichkommen.
Trump geht es also mit Nichten um eine irgendwie progressiv geartete Reform des multilateralen Handelsregimes im Rahmen der Welthandelsorganisation, sondern schlicht um Fortführung des alten Systems unter offener US-amerikanischer Dominanz, was nichts anderes heißt als Neoliberalismus plus politische Unterwerfung unter die Interessen der USA, wobei letztere in der Bereitschaft zum Aufbringen von „Tributen“ ihren Ausdruck findet. Dass es Trump nicht allein um den Kampf gegen Handelsungleichgewichte geht, kann schon daraus geschlossen werden, dass er den eigentlich viel „eleganteren“ Weg, nämlich den einer Abwertung des US-Dollar um 30 Prozent – wodurch die wichtigsten Exporteure aus dem Ausland quer Beet und ohne Ausnahme massiv getroffen worden wären – nicht gewählt hat. Ein schwacher US-Dollar das ist mit „America First“ nicht vereinbar. Nein, es ging ihm offenbar um die publikumswirksame Demütigung der aus seiner bornierten Sicht „unfairen“ Konkurrenten, die sich explizit und öffentlich – wie zum Beispiel Südkorea – unterwerfen und zu Zugeständnissen bereit erklären sollten.
Linken kann der Streit zwischen den USA und der EU nicht gleichgültig sein
Den Linken kann dieses, spätestens seit dem Eklat um das Ende des jüngsten G7-Gipfels offen zutage tretende Zerwürfnis zwischen den USA und der EU aus zwei Gründen nicht gleichgültig sein. Zum einen, weil es keineswegs ausgemacht ist, dass es sich beim Handelskrieg zwischen USA und EU nicht um ein Scheingefecht handelt, das schließlich mit einem Friedensschluss zulasten Dritter, insbesondere Chinas und anderer BRICS-Staaten, enden könnte – ähnliches hat Trump mit seinem Twitter-Vorschlag einer Mini-Freihandelszone der G7-Staaten bereits angedeutet. Zum anderen haben die Trump’schen Provokationen aber auch die langfristig gravierenden Konsequenzen permanenter Handelsungleichgewichte und die wirtschaftsstrukturellen Folgen eines bedingungslosen Freihandels, die lange unsagbar waren und die z.B. die EURO-Zone inzwischen in ihrer Substanz bedrohen, offen auf die politische Tagesordnung setzt.
Rückfälle in vormoderne Zeiten tributärer Imperien sind eher anachronistisch. Vielmehr geht es um die Durchsetzung einer progressiven Industriepolitik, die die selbstbestimmte Gestaltung nationaler wie regionaler Wirtschaftsstrukturen zum Ziel hat, oder auch um die Forderung nach ausgeglichenen Handelsbeziehungen, die für alle die Möglichkeit eröffnen von den durchaus vorhandenen gegenseitigen Vorteilen des internationalen Handels zu nutznießen.
https://international.die-linke.de/Dr. Arndt Hopfmann ist Wirtschafts- und Handelspolitischer Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung
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