Herrschaft der Dynastien
Mehr als ein Fünftel der erwerbsfähigen Menschen auf den Philippinen - rund ein Zehntel der Bevölkerung - sind unterbeschäftigt oder arbeitslos. Die Mindestlöhne sind im Grunde Sklavenlöhne. Im Jahr 2021 sind 18 Prozent aller Familien unter die offizielle Armutsgrenze gerutscht. Gleichzeitig stieg das Vermögen der 50 reichsten Filipinos innerhalb eines Jahres trotz der Pandemie um 30 Prozent.
Hinzukommt, dass die Philippinen zu den Ländern gehören, die von der weltweiten Klimakrise am stärksten betroffen sind. Laut Prognosen wird bis 2030 etwa die Hälfte der Bevölkerung vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sein. Teile der großen Städte, darunter auch die Hauptstadt Manila, werden vom steigenden Meeresspiegel überflutet sein.
Ein System der Dynastien und Clans
Politisch herrscht auf den Philippinen eine Elite, die durch die Herrschaft von Dynastien und politischen Clans gekennzeichnet ist. Im Senat gehören 17 von 24 Senator*innen Dynastien und politischen Clans an. Im Unterhaus des Kongresses stammen 71 Prozent der Bezirksvertreter*innen aus Clans und Dynastien. Selbst auf den 134 Sitzen, die marginalisierten Gruppen reserviert sind, sitzen 62 Abgeordnete, die eine Verbindung zu politischen Dynastien und Clans haben. Die Gouverneure in 81 Provinzen stammen zu mehr als 80 Prozent aus Dynastien und mehr als 51 Prozent sind mit dem jetzigen Präsidenten Rodrigo Duterte verbündet. Dieses System der "Dynastiepolitik" beruht auf Wahlbetrug, der durch Zwang und Gewalt durchgesetzt wird.
Duterte - Aufstieg des Autoritarismus
Das Regime, das mit der Wahl von Rodrigo Duterte im Mai 2016 an die Macht kam, gehört zu den rechtsextremen, autoritären und neofaschistischen Regierungen dieser Welt, von Jair Bolsanaro in Brasilien über den "Trumpismus" in den USA bis hin zu Viktor Orbán in Ungarn und Narendra Modis "Hindu-Faschismus" in Indien.
Dutertes berüchtigter "Krieg gegen die Drogen", der im Grunde nichts anderes ist, als ein Krieg gegen die Armen, die demokratischen Rechte und die Menschenrechte, hat zur Tötung von knapp 27.000 Menschen geführt. Mit dem neuen Anti-Terror-Gesetz brachte Duterte die Opposition größtenteils zum Schweigen. Es ermöglicht eine Verhaftung für 24 Tage, ohne Haftbefehl. Die Definition von Terrorismus bleibt vage und kriminalisiert auch legitime Meinungsverschiedenheiten oder Proteste, wobei schon die bloße Absicht bestraft werden kann.
Die Nationale Task Force zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ElCAC) wurde großzügig budgetiert, um kombinierte militärische und psychologische Angriffe in Gemeinden durchzuführen, in denen Aktivitäten der Kommunistischen Partei der Philippinen und der Nationalen Volksarmee (CPP-NPA) vermutet werden. Gleichzeitig erklärt das „Gesetz zur Cyberkriminalität" oppositionelle Meinungen in sozialen Medien zum Verbrechen.
Seine Wahl verdankt Duterte der Desillusionierung der Bevölkerung. Sie war geschwächt durch die jahrzehntelange neoliberale Herrschaft, die die sozioökonomischen Grundlagen der Gesellschaft zerstört hatte. Duterte hat damals für sein populistisches Programm und Rhetorik breite Unterstützung gefunden. Er versprach, der Kontraktualisierung (prekäre Arbeit oder die Vergabe von Unteraufträgen) ein Ende zu setzen, was ihm die Unterstützung von Teilen der Arbeiterbewegung einbrachte, das Abkommen mit den USA zu beenden, das eine US-Militärpräsenz auf den Philippinen ermöglicht und China im Streit um das Südchinesische Meer sowie die Spratley-Inseln gegen die USA zu unterstützen.
Bis zu dem Punkt ist Duterte ein Verbündeter der CPP-NPA gewesen und hat mehrere Politiker*innen aus dem Umfeld der CPP-NPA in sein Kabinett und in leitende Positionen in verschiedenen Ministerien berufen. Dies war nur von kurzer Dauer. Duterte brach mit der CPP-NPA, warf sie aus der Regierung und begann, ihre Führung im Untergrund zu jagen, auch mit brutalen Morden. Er befahl Militäroperationen gegen Stützpunkte der CCP-NPA, insbesondere in den indigenen Gemeinden auf Mindanao.
Heute arbeitet Dutertes Clan, um die eigene Macht zu sichern, mit dem des ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos zusammen. Letzterer versucht unerbittlich erneut an die Macht zu kommen. Der Sohn des ehemaligen Diktators, Bongbong Marcos Jr., kandidiert für das Amt des Präsidenten, während Sara Duterte, die Tochter des Präsidenten Duterte, seine Vizepräsidentin werden möchte. Beide Clans haben sich mit rechtslastigen Clans der philippinischen Politik verbündet, die von Teilen der philippinischen "Milliardäre" unterstützt werden.
Leni Robredo – ebenfalls eine Figur der Dynastien
Obwohl Leni Robredo, die derzeitige Vorsitzende der Liberalen Partei Vizepräsidentin der Duterte-Regierung war, wurde in dieser Periode die mit der Liberalen Partei verbündete Opposition stark geschwächt. Die Mehrheit der liberalen Abgeordneten wechselten die Seiten und unterstützten Duterte.
Robredo, die ebenfalls von einigen Dynastien unterstützt wird, war nicht in der Lage, eine klare und konsequente Opposition gegen Duterte aufzubauen. Sie erweckt außerdem den Eindruck, dass sie für eine pro-US-Politik steht. Sie scheut sich US-Interessen anzugreifen und pocht auf die Einhaltung von Militärabkommen mit den USA. Heute kandidiert Robredo als unabhängige Kandidatin für das Präsidentenamt.
Nichtsdestotrotz stehen einige linke Parteien, wie CPP, Akbayan (Bürgeraktion) und Partido Manggagawa (Arbeiterpartei) bei dieser Wahl hinter ihr. Die Gewerkschaftsbewegung ist gespalten. Die mit diesen Parteien verbündeten Gewerkschaften unterstützen die liberale bürgerliche Opposition während der rechtsgerichtete Philippinische Kongress der Gewerkschaften den Kandidaten Marcos Jr. Unterstützt.
Ein linkes Bündnis als Alternative
Doch es muss ein echter Bruch mit dem System der Dynastien stattfinden. Denn selbst mit begrenzten Reformen, bietet „business as usual", keine Lösungen für die Probleme des Landes. Eine radikale und sozialistische Alternative ist notwendig.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der zögerlichen Haltung der Liberalen Partei, die nicht in der Lage war, einen Oppositionskandidaten aufzustellen, und der Tatsache, dass Leni Robredo schließlich ihre unabhängige Kandidatur für das Präsidentenamt ankündigte, beschloss die Partei der werktätigen Massen (PLM), mit Unterstützung mehrerer linker und grüner Gruppen, einen eigenen Kandidaten aufzustellen.
Mit dem langjährigen Gewerkschaftsführer Leody De Guzman als Kandidat an der Spitze bieten die philippinischen Sozialisten in einem sozialistisch-grünen Bündnis den Wählenden eine radikale Alternative auf der Grundlage einer antikapitalistischen Plattform an.
Guzman ist Gründungsmitglied der PLM und Vorsitzender des sozialistischen Gewerkschaftszentrums Solidarität der philippinischen Arbeiter (BMP). Der ehemalige Akbayan-Abgeordnete Walden Bello, ein renommierter Wissenschaftler, politischer Aktivist und Vorsitzender der sozialistischen Koalition Laban ng Masa (Kampf der Massen), kandidiert, um sein Vizepräsident zu werden. Außerdem kandidieren auf der Liste der PLM Roy Cabonegro, Vorsitzender der Partei der Natur, und David D’Angelo, Vorsitzender der Grünen, für Senatsplätze.
Das linke Programm
Dies ist ein wahrhaft historischer Wahlkampf. Denn es ist das erste Mal, dass die Linke für das Präsidentenamt kandidiert. Es ist das erste Mal, dass ein Arbeiter und ein Gewerkschaftsführer für das Präsidentenamt kandidiert. Es ist das erste Mal, dass ein antikapitalistisches und sozialistisches Übergangsprogramm von einem Präsidentschaftskandidaten vorgelegt wird.
Das radikale Forderungsprogramm der PLM zielt darauf ab, den drängenden Prozess zur Umwandlung der philippinischen Gesellschaft in eine sozialistische Richtung einzuleiten. Es umfasst:
- Die Einführung einer Vermögenssteuer für die reichsten Familien
- Die Streichung der Schuldenzahlungen für fünf Jahre
- Die Rückgabe des von der Familie Marcos gestohlenen Volksvermögens und die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der Marcos-Familie, die bei dieser Tat beteiligt waren
- Den Einsatz der Erträge aus der Vermögenssteuer und dem Schuldenerlass, sowie das gestohlene Vermögen zur Bekämpfung der COVID-Pandemie
- Die sofortige und erhebliche Anhebung des täglichen Mindestlohns im ganzen Land
- Die Wahrung des Grundsatzes der Arbeitnehmerkontrolle in allen Branchen und Wirtschaftssektoren durch die Gründung von Gewerkschaften und Arbeitnehmerausschüssen parallel zu den Unternehmensvorständen
- Die Einführung von Preiskontrollen für Öl, Strom, Internet, Wasser, landwirtschaftliche Betriebsmittel und andere Grunderzeugnisse
- Die Einführung der Kontrolle der Landwirtschaft durch Kleinbauern und eine Agrarreform, sowie die Verhinderung von Landraub durch Großgrundbesitzer.
- Umsetzung eines Anti-Dynastie-Gesetzes
- Das Eintreten für Klimagerechtigkeit, um Reparationen von reichen Ländern zu fordern und für einen gerechten Übergang zu einer kohlenstoffarmen und demokratisch kontrollierten Wirtschaft
- Die vollständige Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter und Beendigung der Gewalt gegen Frauen
- Die Verabschiedung eines Scheidungsgesetzes und der Entkriminalisierung der Abtreibung
- Die bedingungslose Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der CPP-NPA und die Aufhebung des Anti-Terrorismus-Gesetzes
- Die Wahrung des Rechts auf Selbstbestimmung und Unterstützung des Kampfes des Bangsamoro-Volkes für volle Autonomie, sowie die Stärkung und Durchsetzung der indigenen Prinzipien des gemeinsamen Eigentums
- Eine bündnisfreie Außenpolitik auf der Grundlage nationaler Souveränität und Internationalismus, die Beendigung der Militärabkommen mit den USA und sofortige Schließung aller US-Militärstützpunkte im Land, sowie die Ablehnung der Expansions- und Einflussnahme-Versuche sowohl Chinas als auch der USA im Südchinesischen Meer, sowie die Förderung einer gemeinschaftlichen Entwicklung und Nutzung der natürlichen Ressourcen in den umstrittenen Gebieten
Das Szenario nach den Wahlen
Derzeit liegt das Marcos-Duterte-Tandem in den Umfragen vorn, während Leni Robredo auf dem zweiten Platz liegt, allerdings mit wachsender Unterstützung. Diese Umfragen werden von den Kandidaten in Auftrag gegeben und bezahlt und sind deshalb wenig objektiv.
Das wichtigste Problem ist die Wahrscheinlichkeit eines Wahlbetrugs. Denn 71 von 81 Gouverneure unterstützen Marcos und Duterte. Dass die Wahlkommission einen Vertrag über die Verteilung von Stimmauszählungsmaschinen mit einer Firma geschlossen hat und der Besitzer der Firma mit Duterte eng befreundet ist, schürt die Ängste. Es gibt bereits Gerüchte über vorgefärbte Stimmzettel in Singapur. Ein Wahlbetrug würde Marcos Jr. begünstigen.
Trotz der historischen linken Alternative besteht die reale Möglichkeit eines Marcos-Duterte-Sieges. Denn dieselbe Strategie und gut geölte Maschinerie, die bei den Wahlen 2019 erfolgreich zum Einsatz kam, soll dieses Mal erneut den Sieg garantieren. Um einen Wahlbetrug zu verhindern, muss auf der Straße Einigkeit herrschen.
Reihana Mohideen ist Mitglied des Nationalrats der Partei der Arbeitenden Massen (PLM) und Leiterin der internationalen Arbeit der Partei.
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