Gleichgeschlechtliche Ehe dominiert die Wahl
Die Wahlen waren auch von einer Desillusionierung in der Bevölkerung geprägt. Nicht zuletzt wurde das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe wahlentscheidend und rückte alle anderen Themen in den Hintergrund. Nachdem der interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Anfang Januar Costa Rica ermahnt hatte die gleichgeschlechtliche Ehe anzuerkennen, beherrschte das Thema im katholisch-konservativ geprägten Land die öffentliche Debatte. Fabricio Alvarado forderte umgehend die Ablehnung der richterlichen Empfehlung und den Rückzug Costa Ricas aus dem Gericht, woraufhin seine Umfragewerte sprunghaft anstiegen. Galt er zu Beginn des Wahlkampfes noch als aussichtsloser Kandidat, könnte er nun bei der Stichwahl zum nächsten Präsidenten Costa Ricas gewählt werden.
Bis zu den letzten Wahlen im Jahr 2014 wurde Costa Rica durch zwei Parteien, die sozialdemokratische Partido Liberación Nacional und die konservative Unidad Social Cristiana, mehr oder weniger abwechselnd regiert. Erstmalig seit 1948 stellte dann die im Jahr 2000 gegründete PAC (Partei der Bürgerallianz) mit ihrem Kandidaten Luis Guillermo Solis den Präsidenten. Die PAC war eng verbunden mit Protesten gegen das mittelamerikanische Freihandelsabkommen (CAFTA) und stellte sich programmatisch gegen Neoliberalismus, zunehmende soziale Ungleichheit und das von Korruption durchdrungene politische System. Doch Solis' gemäßigter Mitte-Links-Regierung mangelte es an Erfahrung. Im Parlament fehlten ihr die Mehrheiten und die Opposition ließ sie auflaufen. Außerdem waren Regierungsmitglieder, einschließlich Solis selbst, wie auch Politiker*innen der Oppositionsparteien in einen großen Korruptionsskandal um Zementimporte aus China verwickelt. Doch gerade weil die PAC als Anti-Korruptionspartei angetreten war, kostete sie die Affäre Glaubwürdigkeit. Die Umfragen vor den Wahlen prognostizierten dem Kandidaten der PAC noch ein Ergebnis um die 5% Prozent. Dennoch erhielt Carlos Alvarado etwa viermal so viele Stimmen und damit die Unterstützung jedes fünften Wählenden. Dieses Ergebnis lässt sich auch als eine Abwehrreaktion der Menschen auf die gestiegenen Umfragewerte des evangelikalen Sängers interpretieren.
Linke marginalisiert
Die politischen Rechten und Konservativen führten eine scharfe Kampagne gegen linke und progressive Kräfte. Die linke Frente Amplio, die bei den letzten Wahlen ein herausragendes und bis dato einmaliges Ergebnis von 17 Prozent erzielte, erreichte bei diesen Wahlen nur noch 0,8 Prozent der Stimmen. Trotz dieses Absturzes gelang es dem charismatischen Spitzenkandidaten der Linken vom Jahre 2014, José Maria Villalta, immerhin den einzigen Sitz im Parlament zu gewinnen. Auch der Frente hatte es an politischer Erfahrung gefehlt. Sie hatte mit kleineren Skandalen einzelner Abgeordneter in den eigenen Reihen zu kämpfen.
Costa Rica gilt als ein stabiles Land. Das Wirtschaftswachstum lag 2016 bei 4,3 Prozent. Doch fünf Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze und die soziale Ungleichheit wächst. Der Arbeitsmarkt ist angespannt. Vor allem junge Menschen finden keine Arbeit. Die Gewalt ist zwar im Vergleich zu den mittelamerikanischen Nachbarländern verhältnismäßig gering, nimmt aber jedes Jahr zu.
Diese Wahlen rüttelten das politische System in Costa Rica weiter durch. Die traditionellen Parteien waren gespalten angetreten. Die neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament werden dem zukünftigen Präsidenten das Regieren nicht leicht machen. Die Linke ist marginalisiert und erzkonservativer Rechtspopulismus greift um sich. Ob Carlos Alvarado bei der Stichwahl am Ostersonntag als Konsenskandidat die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen wird, ist kaum vorhersehbar.
Alle Wahlergebnisse hier: http://resultados2018.tse.go.cr/resultados/#/legislativas
Katharina Tetzlaff ist Referentin im Bereich Internationale Politik in der Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE und zuständig für Lateinamerika.
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