Duque gewinnt die Stichwahl - Werden in Kolumbien nun die Uhren zurückgedreht?
Am 17. Juni wurde in einer Stichwahl Iván Duque zum neuen Präsidenten Kolumbiens gewählt. Der ultrarechte Kandidat der Partei Centro Democrático erhielt 53,9 Prozent der Stimmen. 41,9 Prozent der Wähler*innen unterstützten dagegen Gustavo Petro, parteiunabhängiger Präsident der Bewegung Colombia Humana und Hoffnung der neuen Linken. Damit ist im Superwahljahr 2018 in Lateinamerika ein erneuter Sieg der Rechten zu verzeichnen. Doch nicht nur das: Mit Duque steht auch die Zukunft des Friedensabkommens mit der FARC in den Sternen.
Die Stichwahl vom vergangenen Sonntag folgte auf die erste Wahlrunde am 27. Mai, in der keiner der Kandidaten die nötigen 50% der Stimmen für sich verbuchen konnte. Für das Amt des Präsidenten hatte sich im Mai neben Duque (39%) und Petro (25%) auch der grüne Politiker Sergio Fajardo zur Wahl gestellt, der mit 23% knapp hinter Petro ausgeschieden war.
Iván Duque wird damit am 7. August das Präsidentschaftsamt Kolumbiens antreten. Der aktuell amtierende Juan Manuel Santos konnte nach zwei aufeinanderfolgenden Amtszeiten nicht nochmals kandidieren. Da auch in den Parlamentswahlen im März die Centro Democrático als stärkste Kraft hervorgegangen war, vereint Duque nun auch die Mehrzahl der Abgeordneten hinter sich.
Duque gilt als Ziehsohn des von 2002 bis 2010 amtierenden rechten Präsidenten Àlvaro Uribe, der für seine Verstrickung mit Paramilitärs bekannt ist. Ohne den Bezug zu Uribe hätte der erst 42-jährige Duque, den bis vor vier Jahren kaum jemand kannte, es wohl nicht ins Präsidentenamt geschafft. Duque ist Anwalt und Ökonom und war von 2001 bis 2014 als Berater bei internationalen Finanzinstitutionen wie der Interamerikanischen Entwicklungsbank IDB in Washington tätig.
Nach seinem Sieg ist in Kolumbien in der Zukunft eine ‚Politik der starken Hand‘ zu erwarten: In seinem Wahlkampf trat er einerseits für den Schutz privater Unternehmen und andererseits für eine Stärkung der Polizei sowie des Militärs ein. Den persönlichen Drogenkonsum, der vom Obersten Gericht 1997 erlaubt wurde, möchte er wieder verbieten und härtere Strafen bei Drogendelikten einführen.
Kolumbien stark polarisiert
So gespalten die Stimmungen in Kolumbien sind, so konträr sind auch die Wahlprogramme der beiden Kandidaten. Die einzige Gemeinsamkeit, die Duque und Petro aufweisen, ist deren Ablehnung des Establishments.
Petro, ehemaliges Mitglied der Guerillaorganisation M-19 und ehemaliger Bürgermeister von Bogotá, geht als Anführer der Opposition aus der Wahl hervor. In der Bewegung Colombia Humana eint er die kommunistische Partei PPC, die Unión Patriótica und indigene Bewegungen. Die Bewegung war vor allem bei jüngeren Wähler*innen und ärmeren Schichten erfolgreich. Er konnte die Wahl in Bogotá und in anderen Provinzhauptstädten, sowie in den ärmeren departementos am Pazifik für sich entscheiden. Duque wurde dagegen eher auf dem Land und von Wohlhabenden wie Konservativen gewählt.
Die geringe Wahlbeteiligung von 53 Prozent ist in Kolumbien gewöhnlich. Diese Zahl drückt vor allem das Misstrauen gegenüber den Politiker*innen aus. Dass die Bevölkerung nicht mehr an eine wirkliche Veränderung glaubt, spielt jedoch auch eine Rolle. Eine gängige Methode, um diesen Unmut zu bekunden, ist die des “voto en blanco“ (“leerer Stimmzettel“ ), für die sich 4,2% der Wähler*innen entschied. Selbst Sergio Fajardo, der Spitzenkandidat der grünen Partei, gab einen weißen Stimmzettel ab und positionierte sich damit zu keinem der beiden Kandidaten. Diese Entscheidungsverdrossenheit ist in einem Moment, in dem Kolumbien das Friedensabkommen weiter umsetzen und überdies eine klare Position zu Venezuela entwickeln muss, fatal.
Die Rolle Venezuelas
Kaum ein Land Lateinamerikas ist von den Auswirkungen des Staatsbankrotts und dem Exodus aus Venezuela so betroffen wie Kolumbien. Die venezolanische Krise wurde im Wahlkampf instrumentalisiert: Duque prophezeite auf allen Radio- und Fernsehkanälen, die größtenteils in privaten Händen und damit Duque nah sind, dass mit der Wahl Petros ein zweites Venezuela zu erwarten sei. Er streute ein bedrohliches Bild des wirtschaftlichen Verfalls und behauptete, dass das nur durch eine militärische Intervention in Venezuela und strengen Regulierungen in Kolumbien zu verhindern sei. Obwohl Petro sich von Maduro distanzierte, erkennt er Venezuelas staatliche Souveränität an. Petro dagegen erkennt trotz seiner Distanzierung von dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro Venezuelas staatliche Souveränität an und ist gegen eine Intervention.
Trotz der Panikmache und den gestreuten Fake News auf sozialen Medien und im Fernsehen gibt es viele Beispiele der Solidarisierung und des zivilgesellschaftlichen Engagements gegenüber venezolanischen Flüchtlingen, insbesondere von armen Schichten. Die Solidarität wird vor allem durch die enge Verbindung der beiden Länder und die Rückkehr vieler im Krieg nach Venezuela geflohener Kolumbianer*innen getragen und stellt der politisierten Angst ein anderes Bild gegenüber.
Unklare Zukunft für das Friedensabkommen
Die Stichwahl am Sonntag war neben der Wahl zwischen zwei Kandidaten implizit auch eine Wahl für oder gegen das Friedensabkommen mit der FARC. Das Abkommen war 2016 per Referendum knapp abgelehnt worden, um dann nach einer Überarbeitung doch vom Kongress angenommen zu werden. Nach den Beschlüssen wurde die FARC entwaffnet und gründete sich als Partei, außerdem erhielt sie zehn wahlunabhängige Plätze im Parlament. Manuel Santos, der die langjährigen Verhandlungen geführt hatte, erhielt nach wachsendem internationalem Interesse am Friedensprozess Ende 2016 den Friedensnobelpreis. Schon Santos hatte darauf hingedeutet, dass die anstehende Wahl auch an die Fortführung der Friedensprozesse gebunden sei.
Was ist nun zu erwarten? Mit der Wahl Duques, der sich grundsätzlich gegen das Friedensabkommen ausspricht, droht der Abzug der FARC-Delegierten aus dem Parlament, die Annullierung der Amnestien für ehemalige FARC Kämpfer*innen, sowie der Abbruch der Friedensverhandlungen mit der ELN in Havanna. Die neue Regierung könnte die Arbeit des Sonderstrafgerichts und die der Wahrheitskommission, die erst seit dem 9. Mai 2018 tätig ist, enorm behindern. Anders als das Sonderstrafgericht ist die Arbeit der Kommission, die als außergerichtliche Instanz Gewaltmuster innerhalb des bewaffneten Konflikts aufdecken soll, auf drei Jahre und damit die Regierungszeit Duques beschränkt.
Auch gender-politisch wird Duques Sieg Folgen haben: Duque, zu dessen Wähler*innenschaft viele Evangelikale gehören, steht für ein heteronormatives Weltbild. Neben der Einschränkung von Freiheitsrechten für Homosexuelle ist mit Blick auf das Friedensabkommen auch die Einrichtung einer im Abkommen vorgesehenen Subkommission für Genderfragen mit Beratungsfunktion in weite Ferne gerückt.
Duque betont, er wolle "ein Kolumbien, wo der Frieden mit der Gerechtigkeit einhergeht". Doch scheint nicht klar, mit welchen Beteiligten dieser Frieden gemacht und für wen Gerechtigkeit errungen werden soll. Die in dieser Wahl bemerkenswerte Bildung von politischen Bewegungen neben etablierten Parteien macht klar: In der Bevölkerung existiert ein starker Wunsch nach Veränderung. Welche politischen Räume - insbesondere in der Opposition - dieser einnimmt, bleibt mit Spannung zu erwarten.
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