Die dritte Kraft in Uganda
Es sind vor allem junge Rechtsanwälte, Geschäftsleute, IT-Spezialisten, Studentenführer und Künstler die sich seit einigen Monaten regelmäßig mit Oppositionspolitikern treffen und debattieren, wie sie künftig Einfluss nehmen können auf die verkrusteten Strukturen Ugandas. Weithin bekanntes Aushängeschild dieser People Power genannten Bewegung ist ein junger Abeordneter des Bezirkes Kyadondo East, Robert Kyagulanyi Sentamu. Besser bekannt als Afrobeat-Popstar Bobi Wine.
Wie sehr Wine und seine Unterstützer dem seit 32 Jahren herrschenden Museveni-Regime ein Dorn im Auge sind, illustrierte Wine’s Verhaftung im August dieses Jahres. Zusammen mit anderen Abgeordneten und Aktivisten war er von ugandischen Behörden verhaftet und wenig später des Landesverrates beschuldigt worden. Internationale Medien berichteten, wie Wine, offensichtlich geschlagen und gefoltert, im Gericht erschienen war. Ein Schicksal, dass er mit zahlreichen anderen Oppositionspolitikern Ugandas teilen muss. Doch Wines Verhaftung erregte landesweit heftigen Zorn, vor allem unter jungen Uganderinnen und Ugandern.
Liebling der Jugend
Wine, der erst im Juli 2017 ins Parlament gewählt worden war, wurde durch seine politischen Songtexte und sein schillerndes Auftreten – Dreadlocks, schnelle Autos - rasch zum Darling einer neuen Generation von Wählenden in Uganda.Klar, Winesingt über Frauen. Aber eben auch über misshandelte Straßenhändler, Freiheit, die Wichtigkeit des Wählengehens, womit er deutlich auf Distanz zum Regime geht. Oft vergleicht man ihn mit dem langjährigen Oppositionsführer und früherer Kampfgefährte Musevenis, Kizza Besigye, der vier mal gegen Präsident Museveni kandidierte.
Wine, der sich selbst provokant “Ghetto -President“ nennt, kritisierte andere Oppositionspolitiker lautstark, als sie eine Gesetzesvorlage unterstützten, welche General Museveni den Weg zur lebenslangen Herrschaft eröffnet hätte. Wine und seine Unterstützer demonstrierten dagegen im Parlamentsgebäude, in dem sie revolutionäre Lieder sangen, um die Lesung des Gesetzesentwurfs zu verhindern. Diese neue Art von Aktivismus, die jungen Esprit und politischen Mut mit einer Portion Revolution verbindet, inspiriert junge Uganderinnen und Ugander.
Im Kern der People-Power-Bewegung geht es jedoch nicht nur um frechen Polit-Aktivismus. Ihre Mitglieder prangern öffentlich den Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit in Uganda an, kritisieren die zunehmende politische Manipulation der Judikative, die landesweite Gewalt im Vorfeld jeder Wahl, die Korruption, die erdrückende Jugendarbeitslosigkeit sowie die Angriffe auf Medien und die Zivilgesellschaft.
Unter Beschuss
Nicht nur die seit 32 Jahren regierende National Resistance Movement (NRM) unter Führung von Präsident Yoweri Museveni empfindet People Power als eine Bedrohung. Auch etablierte Oppositionsparteien und die im Land sehr einflussreichen Kirchen rüsten zum Abwehrkampf. Sie bemühen sich nach Kräften People Power, von politischen Kommentatoren bereits „Dritte Kraft“ genannt, abwechselnd als eine vom Westen inszenierte Zelle oder eine politische Eintagsfliege darzustellen. Ein Kartenhaus, welches wie alle ugandischen Protestbewegungen zuvor bald wieder in sich zusammen fallen werde.
Museveni selbst feuert aus allen Rohren gegen die Bewegung. Erst kürzlich warf er People Power vor, Wirtschaftssabotage zu betreiben und Fake-news zu verbreiten. Sie verplemperten Zeit mit sozialen Themen wie Menschen-, Frauen- und LGBT-Rechten, anstatt sich mit wichtigeren Themen wie der Infrastruktur, dem Zustand der Wirtschaft und den Erfolgen der regierenden National Resistance Movement Party zu beschäftigen, polterte der 74-jährige General. Museveni war Mitte der 1990er Jahre vom Westen als Repräsentant der neuen Generation afrikanischer Führer gefeiert worden.
Heute fällt es der Museveni-Regierung zunehmend schwer, das schwindende Vertrauen der Wählenden zurückzugewinnen. Nach zahlreichen Pannen und international kritisierten Menschenrechtsverletzungen sowie Versuchen, die Verfassung zum Vorteil Musevenis umzuschreiben, haben viele Ugander mittlerweile den Glauben an den einstigen kämpferischen Gegner des ehemaligen Präsidenten Idi Amin verloren.
Museveni schreckt nun nicht mehr davor zurück, die Militär- und Kommunikationsmaschinerie des Staates einzuspannen, um People Power unschädlich zu machen. Das Informationsbüro der Regierung scheut keine medialen Mühen um von der Dorf- bis auf die nationale Ebene die Wine-Fans zu diskreditieren. Bekannte Journalisten werden angeheuert, um die People-Power-Bewegung als radikale, extremistische, anti-demokratische, intolerante und gewalttätige Gruppierung darzustellen, welche Demokratie und Menschenrechte nur benutze um politisch zu punkten.
Pfingstler-Kirchen und Evangelikale Gruppen verbreiten zudem Bobi Wine sei „drogenabhängig“ und fördere LGBT-Rechte, und betonen dabei, Uganda und Afrika könnten niemals säkular regiert werden.
People Power wehrt sich
Trotz aller Diffamierungsversuche: People Power spricht Ugandas junge Menschen an und rund 65 Prozent der insgesamt 39 Million Einwohner des Landes sind zwischen 15 und 30 Jahren alt. Das bedeutet, dass die „Generation Wine“ im Wahljahr 2021 rund 70 Prozent der Wahlberechtigten stellen wird.
Auch Bobi Wine läßt sich nicht so schnell entmutigen. Kürzlich informierte er breitflächig darüber, dass die Museveni-Regierung selber versucht habe, den Namen People Power als politische Organisation bei der Ugandischen Wahlkommission zu registrieren und zu patentieren, damit die Bewegung diesen Namen nicht mehr benutzen kann. Wine ruft dazu auf, dagegen zu protestieren, dass People Power möglicherweise als eine Terrororganisation eingestuft und dadurch verboten werden könnte.
Bobi Wine betont, Bündnisse auf nationaler, regionaler und überregionaler Ebene seien unerlässlich, damit die Demokratie in einer so jungen Nation funktioniere könne und Themen wie Rechtsstaat oder politische Partizipation auf der Tagesordnung blieben.
Wine und seine Unterstützer sind davon überzeugt, dass in Ostafrika der Militarismus gerade einen zweiten Frühling erlebe, mit verheerenden politischen und sozioökonomischen Folgen. Sie weisen auf die zunehmende Präsenz von Militärvertretern bei Regierungsangelegenheiten hin, außerdem auf staatliche Gewalt gegen Bürger und unangefochtene zentralistische Entscheidungsprozesse. Deshalb könne nur mit einer geeinten Front über die Grenzen hinweg die Bestrebungen wachsender Demokratien in der Region gesichert werden, so People Power.
Dennoch glaubt der ugandische Journalist Nicholas Sengooba, die Gegenkampagne könne durchaus Erfolg haben. Die Politik der gezielten Verwirrung werde unter der ugandischen Elite ausführlich diskutiert. In der Tat haben verschiedene Kommentatoren bereits die Frage aufgeworfen, ob solche Gegenerzählungen einzelne Mitglieder sozialer Bewegungen nicht zum Umdenken bringen könnten. Nicholas unterstreicht, obwohl die ugandische Mittelschicht sich eindeutig mit der People-Power-Bewegung identifiziere, das Ausmaß an Gewalt und Einschüchterung innerhalb des politischen Spektrums Zweifel schüre und diese Gegenerzählungen schließlich doch noch eine Wirkung zeigen würden.
Samuel Kasirye ist Programm Manager bei der Rosa Luxemburg Stiftung in Dar es Salaam / Tansania. Sein Schwerpunkt liegt in der Analyse von Handels- und Investitionspolitiken sowie der politischen Situation in Uganda.
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