Frühlingspartei wird Hoffnung
Robert Biedrońs Frühlingspartei (Wiosna), die Anfang Februar in Warschau auf einem Gründungskonvent ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geriet, stellt sich in erster Linie als ein Hoffnungsträger dar für diejenigen, die heraus wollen aus dem zugespitzten Konflikt zwischen den regierenden Nationalkonservativen und dem von den Wirtschaftsliberalen angeführten Oppositionsblock. Robert Biedroń ist überzeugt, im Herbst dieses Jahres bei den Parlamentswahlen zumindest die dritte politische Kraft zu werden, die dann gegebenenfalls ein entscheidendes Wörtchen bei der Regierungsbildung mitreden wolle. Immerhin hat der Parteigründer in den Medien freimütig verkündet, Ministerpräsident werden zu wollen.
Erste Umfragen zeugen tatsächlich von einem größeren Wählerpotential, denn auf Anhieb wurden überraschend hohe Werte von bis zu 16 Prozent notiert. Zunächst will die Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai mehrere Abgeordnetensitze erobern, um dann bereits gestärkt in den für Polens Zukunft so wichtigen Herbst ziehen zu können. Wie es heute aussieht, wird die Frühlingpartei im Mai zu den EP-Wahlen alleine antreten. Im Feld der liberalen Opposition hat sich zwar eine breitere Europäische Koalition gebildet, die den Nationalkonservativen der Kaczyński-Partei den Schneid abkaufen will, aber die Biedroń-Partei sieht sich stark genug, um sich als selbständiger Faktor im oppositionellen Lager durchsetzen zu können.
Angesichts der hohen Umfragewerte für die Frühlingspartei sehen sich die anderen Gruppierungen im linksliberalen bzw. linksgerichteten Feld zusätzlich herausgefordert. Fast folgerichtig haben sich die Linksdemokraten der SLD nun der Europäischen Koalition angeschlossen, um wenigstens einige aussichtsreiche Bewerber nach Brüssel zu bringen. Und links von der Frühlingspartei wird die Partei Razem versuchen, möglichst viele kleinere Gruppierungen und soziale Initiativen zusammenzubringen, um im Mai wenigstens ein linkes Ausrufezeichen zu setzen.
Robert Biedroń bezeichnet seine Partei als eine Partei der Progressiven und für Progressive. Es gibt in der Partei eine klare und wenig umstrittene Ausrichtung in Richtung Stärkung der EU-Integration des Landes, was auch gut an dem EU-Blau zu sehen war, dass auf dem Gründungskonvent zu den vorherrschenden politischen Farben gehörte. Ansonsten wurde ein Programm präsentiert, mit dem vor allem jüngere Wählerschichten angesprochen werden sollen – vorzugsweise in den größeren Städten, die mit modernen Dienstleistungsstrukturen vertraut sind. Kern der sozialpolitischen Vorschläge ist eine gesetzliche Grundrente von umgerechnet 400 Euro. Auch die Ankündigung, künftig freiberuflich Tätigen einen gesetzlichen, also aus Steuergeldern bezahlten Mindesturlaub zu sichern, zielt auf großstädtische Wählerschichten. Außerdem soll das von Kaczyńskis Nationalkonservativen 2015 eingeführte staatliche Kindergeld beibehalten und erweitert werden.
Die neue Partei verspricht, sich für die strikte Trennung von Staat und (katholischer) Kirche einzusetzen, so wie die geltende Verfassung es verlange. Ziel sei überhaupt ein neues Konkordat, denn die volle Gleichberechtigung sexueller Minderheiten und das Recht von Frauen auf Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche sollen künftig verbrieft werden. Auf wirtschaftspolitischem Gebiet werden der Ausstieg Polens aus der Kohleförderung und (!) der Kohleverstromung bis 2035 avisiert, wobei als Gegenleistung von den entsprechenden Parteistrategen 230.000 neue Arbeitsplätze in der „grünen“ Wirtschaft versprochen werden. Überhaupt solle das gesamte Transportwesen vom Kopf auf die Füße gestellt werden, was erstens auf einen infrastrukturellen Ausgleich zwischen Provinz und den Großstädten und zweitens auf die Gleichbehandlung aller Verkehrsmittel hinauslaufe.
Die ersten Umfragen unter Einschluss der Biedroń-Partei bestätigen noch eine andere Tendenz: Neben den linksgerichteten Parteien und Gruppierungen geben auch die Liberalen nachweisbar Stimmen an die Frühlingspartei ab. Ob das so bleiben wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Holger Politt ist Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau.
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