Das kleinere Übel
Nur 62% der rund 8,5 Millionen Wahlberechtigten gaben letztes Wochenende ihre Stimme ab. Damit lag die Wahlbeteiligung ähnlich niedrig wie bei der letzten Präsidentschaftswahl. Die einzige Frau, die kandidieren wollte, erreichte nicht die nötige Anzahl an Unterschriften.
Der tschechische Präsident repräsentiert das Land im Ausland, ernennt die Verfassungsrichter und spielt auch bei der Regierungsbildung eine Rolle. Demzufolge kommt seiner Wahl nicht nur eine hohe symbolische Bedeutung zu.
Miloš Zeman, 2013 der erste direkt gewählte Präsident der Tschechischen Republik galt als aussichtsreichster Kandidat. Ernsthafte Konkurrenz unter den acht weiteren Anwärtern drohte ihm nur von dem Chemiker und ehemaligen Chef der tschechischen Akademie der Wissenschaften, Jiří Drahoš. Historisch betrachtet kommt er aus der Sozialdemokratie. Jedoch kann man weder bei ihm, noch bei anderen Kandidaten eine progressive Agenda, geschweige denn linke Positionen erkennen. Er positionierte sich aber als Zuwanderungsgegner und Mann der kleinen Leute.
Zeman nahm weder an politischen Debatten, noch an öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen teil. Dies führte dazu, dass die anderen Kandidaten ihre Strategie primär gegen Zeman ausrichteten, statt ihre eigene Agenda zu bewerben. Die "Anti-Zeman Koalition" wies auf die echten oder vermeintlichen Mängel des amtierenden Präsidenten hin, während das eigene politische Profil nicht in den Vordergrund gestellt wurde. Sie wirkten politisch blass und waren in ihren konkreten Positionen kaum unterscheidbar. Hauptsächlich versuchten sie, mit überparteilichen Themen zu punkten. Allerdings hatte die Koalition vereinbart, denjenigen Kandidaten, der die meisten Stimmen erzielen würde, in den nächsten zwei Wochen zu unterstützen.
Linke stehen vor einem Dilemma
Keiner der Kandidaten wurde von einer Partei nominiert und es wurde auch keine explizite Empfehlung ausgesprochen.
Die linken Parteien stehen insbesondere vor einem Problem. Die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM, Beobachterstatus in der Europäischen Linken), die in den Parlamentswahlen herbe Verluste einbüßen musste und über die Hälfte ihrer Sitze verlor, ist mit 7,6% nur noch fünft stärkste Kraft. Auf einem für den April einberufenen Sonderparteitag will sie die Ergebnisse aufarbeiten und steht vor einer Richtungsentscheidung. Klar ist, dass viele ihrer WählerInnen für Zeman stimmen, der als bürgernah und Mann der kleinen Leute vor allem im ländichen Raum geschätzt wird. Die Kommunisten sprachen keine Empfehlung aus, allerdings riefen der Vorsitzende und andere ParlamentarierInnen nach dem ersten Wahlgang dazu auf, nun Zeman zu wählen. Auch die Partei des Demokratischen Sozialismus (SDS, Mitglied der Europäischen Linken) empfahl die Wahl von Zeman als das „kleinere Übel“.
Sowohl die Linke als auch die Rechte verliert in Tschechien in der Wählergunst zunehmend an Bedeutung. Es findet eine Orientierung hin zum neoliberalen Mainstream statt. Gleichzeitig gibt es den Wunsch nach einem charismatischen Anführer. So war bei der Parlamentswahl die Persönlichkeit des rechtspopulistischen Unternehmers Andrej Babiš' wichtiger, als die gegen ihn erhobenen Betrugsvorwürfe.
Ebenso wird Zeman wegen seines populistisch-polternden Auftretens geschätzt. Auch wenn er im urbanen Milieu keine Mehrheit findet, erfreut er sich bei der ländlichen und älteren Bevölkerung großer Beliebtheit. Während in Prag nur knapp über 20% für ihn stimmten, konnte er in den Kreisen Mährisch-Schlesien, Usti nad Labem und Karlovy-Vary fast jede zweite Stimme für sich gewinnen. Somit ging seine Strategie, der Präsident der „unteren 10 Millionen“ sein zu wollen, - eine klare Absage an die urbane Elite - auf.
Zeman's stärkster Konkurrent, Drahoš, stellt dessen komplettes Gegenteil dar. Seriös, zurückhaltend bis unscheinbar und pragmatisch steht er dem manchmal aufbrausenden, auf Wirkung bedachten Präsidenten gegenüber. Politisch vertritt er eine stärkere Pro-EU Ausrichtung und stünde auch dem umstrittenen Ministerpräsidenten Babiš kritisch gegenüber. Dieser wird derzeit von seinem Freund Zeman protektioniert, obwohl er bisher bei den Regierungsverhandlungen scheiterte. Da Zeman auf die 30% Wählerstimmen der ANO-Partei Babiš' angewiesen ist, war im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen diese Zweckgemeinschaft sinnvoll.
Nicht-Zeman-Wähler entscheiden
Zeman wandte sich in den letzten Jahren verstärkt nach Osten. Er sprach sich gegen die Russland-Sanktionen der EU aus und pflegt gute Beziehungen zu Moskau und Peking. In den letzten Jahren fiel er vor allem durch seine Antimigrationspolitik auf und sperrt sich, wie auch Polen und Ungarn, der Aufnahme von Geflüchteten. Tschechien nahm während der Flüchtlingskrise 2015 ganze zwölf Geflüchtete auf. Auch äußerte sich Zeman zunehmend islamfeindlich. Er befürwortete zunächst den Eurobeitritt Tschechiens und sprach sich für die Aufnahme Kroatiens und Tschechiens in die EU aus. Mittlerweile ist er wieder ein Verfechter der Tschechischen Krone. Zudem vertritt Zeman stark pro-israelische Positionen, wohl auch begründet in seiner Islamfeindlichkeit.
Nichtsdestotrotz findet Zeman's Haltung Zuspruch unter seinen Wählern. Es herrscht allenthalben große Skepsis gegenüber der EU und ein großer Teil der Bevölkerung steht der Aufnahme von Geflüchteten kritisch gegenüber. Die Älteren, Armen, geringer Gebildeten sehen in ihm ihren Sprecher, der auch gegenüber den „Großen“ kein Blatt vor den Mund nimmt. Drahoš wird dagegen als Kandidat der Gebildeten und Etablierten gesehen.
Drahoš bezichtigt Zeman der Inkompetenz, Korruption und vulgärem Benehmens, wodurch Tschechiens Ruf international gelitten habe. Es sei an der Zeit, das „moralische Ansehen“ des Landes wiederherzustellen. Vor allem in der Außenpolitik fordert er eine verstärkte Zuwendung zu EU und NATO. Im Gegensatz zu Zeman will Drahoš sich für den Beitritt Tschechiens zum Euro einsetzen. Unterstützung findet er in rechtskonservativen und neoliberalen Kreisen.
Obwohl Zeman deutlich vor seinen Konkurrenten liegt, ist der Ausgang der Stichwahl alles andere als sicher. Drahoš kündigte bereits an, nun weitaus mehr in den ländlichen Regionen Wahlkampf zu betreiben und kann auf die Unterstützung der anderen Kandidaten zählen. Die Nicht-Zeman-Wähler, die für andere Kandidaten gestimmt haben, taten dies primär, um Zeman abzuwählen. Da nun nur noch ein Gegenkandidat im Rennen ist, könnte dies die Stichwahl durchaus für ihn entscheiden.
Uta Wegner arbeitet im Bereich Internationale Politik der Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE und ihr Schwerpunkt liegt auf Osteuropa
Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.