Zum Hauptinhalt springen

SYRIZA

Besiegt aber weiterhin stark

Die Griechen haben sich bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 7. Juli deutlich für den Machtwechsel entschieden: Die konservative Nea Dimokratia (ND) holte 39,9 Prozent der Stimmen und erhielt damit, als stärkste Kraft, nach griechischem Wahlrecht einen Bonus von zusätzlichen 50 Sitzen im Athener Parlament – und erreichte damit die absolute Mehrheit. Wahlgewinner Kyriakos Mitsotakis wurde umgehend vereidigt. SYRIZA erlangte 31,53 Prozent der Stimmen, und schnitt damit besser ab, als es die Umfragen ahnen ließen.

Die Griechen haben sich bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 7. Juli deutlich für den Machtwechsel entschieden: Die konservative Nea Dimokratia (ND) holte 39,9 Prozent der Stimmen und erhielt damit, als stärkste Kraft, nach griechischem Wahlrecht einen Bonus von zusätzlichen 50 Sitzen im Athener Parlament – und erreichte damit die absolute Mehrheit. Wahlgewinner Kyriakos Mitsotakis wurde umgehend vereidigt. SYRIZA erlangte 31,53 Prozent der Stimmen, und schnitt damit besser ab, als es die Umfragen ahnen ließen.

Damit errang ND so viel Zustimmung, wie sie schon damals, vor der griechischen Krise ab 2009, erlangen konnte. Die absoluten Stimmen, insgesamt 2.251.411, sind nicht einmal besonders beeindruckend, denn es sind fast ebenso viele Wählerstimmen, wie die linke SYRIZA bei den Wahlen in 2015 erlangte (2.246.064).

ND hatte die Wahlen aber mit den Versprechen von Steuersenkungen für alle Einkommensgruppen (mit einer eher vagen Definition der „Mittelschicht“) und einem Wirtschaftswachstum von vier Prozent gewonnen. Erreichen will ND dies mit Unternehmensfreundlichen Reformen, die Investitionen anziehen und sich in besser bezahlte Jobs übersetzen sollen.

Nicht zu überhören waren NDs Ansagen zu „Recht und Ordnung“, die begleitet wurden von schwammigen Versprechen von „Wohlfahrt nur für Griechen“. Gemeint ist damit, dass Sozialleistungen für Menschen in Griechenland mit anderen Nationalitäten sowie „Zigeunern“, die tatsächlich Griechische Staatsbürger sind, natürlich nicht gelten sollen.

Diese populistische Welle zu reiten lag nahe, da sich im Internet längst heftiger Unmut breit gemacht hatte über SYRIZAS angebliche „Einladung“ für Migranten und Geflüchtete und deren angebliche Bevorzugung vor Griechen.

‚SYRIZA besteuert die Mittelschicht, um Fremde sowie faule Griechen durchzufüttern‘ war eine der üblichen populistischen Vorwürfe, begleitet von ‚Linke haben Mazedonien ausverkauft‘, den die Rechte und extrem Rechte immer wieder in ihren Wahlkämpfen bemühten. Schließlich fanden diese Anwürfe, verbreitet durch das Fernsehen und „fake news“, schließlich auch bei konservativen Wählenden Gehör.

SYRIZA schwächer bei Rentnern und Selbständigen

SYRIZA selbst erlangte 31,53 Prozent der Stimmen, und schnitt damit besser ab, als es die Umfragen ahnen ließen. Der Verlust im Vergleich zu den vorherigen Wahlen vom September 2015 betrug 3,9 Prozent. Damit hat SYRIZA insgesamt 144.000 Wählerstimmen eingebüßt.

Gewinnerin der Wahl war KINAL mit 8,1 Prozent, die sie überwiegend von enttäuschten Wählenden der zentristischen Parteien erhielten (z. Bsp. To Potami, Centrists’ Union).

Die “Morgenröte” hingegen, die rechtsextremistsiche Partei, schaffte es nicht ins Parlament, da die Mehrheit ihrer Wählenden für die Mainstream-rechts-Partei der “Griechischen Lösung” oder gleich die ND entschieden.

Offensichtlich hatte SYRIZA in der Zentralmazedonischen Region Nord-Griechenlands bedeutende Verluste hinzunehmen wegen des Prespes-Abkommens mit Nordmazedonien, mit dem Athen nach Jahrzehnten ihren nördlichen Nachbarn anerkannt hatte.

Während die landesweiten Verluste sich auf knapp vier Prozent beliefen, sank die Zustimmung im Norden bis zu zehn Prozent, was den Verlust gegenüber ND dann besiegelte. Hier hatte die nationalistische Mobilisierung durch die Kirche und die traditionell rechtslastigen regionalen Machtzirkel, die noch geprägt sind von der Zeit nach dem griechischen Bürgerkrieg, ganze Arbeit geleistet. Hingegen erlitt SYRIZA im Nordwesten, also West-Mazedonien, so gut wie keine Verluste, offenbar hatte das „Prespes-Abkommen“ hier wohl eher Zustimmung erfahren.

Arbeiter wählten links

Das Wahlverhalten der Griechen war insgesamt sehr Klassen-abhängig: Während SYRIZA in den Arbeiter-Vororten Athens Zustimmung jenseits der 40 prozent-Marke errang, konnten die Linken in der Mittelschicht und bei den Eliten gar nicht punkten.

SYRIZA fand am meisten Zustimmung unter den Jungwählenden (38%), den Arbeitslosen (42%) und den Beschäftigten im öffentlichen Dienst (36%). Insgesamt wählten Frauen eher SYRIZA als Männer (36% vs 28%). ND hingegen erhielt große Zustimmung unter Selbstständigen (43%) und Rentnern (48%), eine Wählerschicht, die sich überwiegend via Fernsehen informiert.

Die SYRIZA-Regierung war gezwungen gewesen die Austeritätsprogramme mit höheren Steuersätzen und der Streichung der Renten-Zuzahlungen zu finanzieren, was natürlich Rentner stark benachteiligte. Die Erhöhung indirekter Steuern hingegen trafen verstärkt Kleinunternehmer_innen und Händler, deren Waren und Dienstleistungen damit teurer wurden.

Um dem gegen zu steuern, hatte die SYRIZA-Regierung versucht, die Lasten nach oben umzuverteilen und die Sozialunterstützungen auszudehnen. Das Wohlfahrts-Budget wurde entsprechend zwischen 2014 und 2019 um 400 Prozent erhöht, während die verschiedenen Sozialstaats-Institutionen zusammengefasst wurden, um so auch die Fragmentierung und die vorher üblichen Eingriffe der rechten Patronage-Netzwerke abzuwehren.

Zudem erhielten rund 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung, vornehmlich Geringverdiener, zum Jahresende stets einen „sozialen“ Bonus, mit dem auch die Wirtschaft angekurbelt werden sollte. Eine Krankenversicherung erhielten rund 20 Prozent der bis dahin unversicherten Bevölkerung. Außerdem wurde in neues Personal, neue Krankenhäuser und deren Ausstattung investiert, sowie die Privatisierung von Krankenhausleistungen unterbunden.

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung hatte SYRIZA verdoppelt, mit einer besonderen Förderung für Doktorats- und Post-Dok-Stipendien. Zudem hatte die linke Regierung den Mindestlohn im Januar 2019 noch um 11 Prozent erhöht und die Minderlöhne für Unter-25jährige Arbeitnehmer_innen abgeschafft. Tarifabkommen wurden in der zweiten Jahreshälfte 2018 wieder anerkannt. Nachdem die Arbeitsaufsichtsbehörde deutlich gestärkt worden war, reduzierte sich die Schwarzarbeit in Branchen mit einer hohen Rate an Arbeitsrechtsverletzungen um die Hälfte, während sich die Zahl der Arbeiter_innen mit bezahlten Überstunden verdoppelte.

Die Sozialbeiträge für rund 80 Prozent der Arbeitnehmer_innen wurden reduziert, während sie für die Top-Verdiener Griechenlands um 10 Prozent erhöht wurden. Verstärkt wurden zudem die Bemühungen bei der Ahndung von Steuerflucht und Schwarzarbeit, was vor allem Einzelhändler und Kleinunternehmer_innen verärgerte, die bereits unter den Folgen der jahrelangen Wirtschaftsflaute und angehäuften Schulden litten.

SYRIZA gelang es, die Arbeitslosenrate um neun Prozent zu senken und damit auch den Anteil der Bevölkerung, der drohte unter die Armutsgrenze zu rutschen.

Im Hinblick auf die Wirtschaft waren 2018 und 2019 die besten Jahre für ausländische Direktinvestitionen und griechische Exporte im Vergleich der letzten 12 Jahre.

Dennoch leidet Greichenland noch immer unter einer relativ hohen Arbeitslosigkeit (17,6 Prozent im April d.J.) während die Einkommenseinbußen der durchschnittlichen Bevölkerung noch immer bei rund 30 Prozent im Vergleich zu vor der Krise liegen.

Trotz der Wahlniederlage bleibt SYRIZA eine führende Kraft im Lager der progressiven Kräften nicht nur Griechenlands, sondern der gesamten EU. Sie hat die Fähigkeit bei der Förderung der Kooperationen aller progressiven Kräfte Europas und in deren Kampf für soziale Gerechtigkeit, Demokratie, ökologische Nachhaltigkeit und Frieden eine führende Rolle einzunehmen.

Zurück zur Übersicht

Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.