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Katrin Voß und Andreas Bohne

Explosive Stimmung in Simbabwe vor den Wahlen

In knapp zwei Wochen finden in Simbabwe Wahlen statt. Das Land schwankt zwischen neu gewonnener Offenheit und geerbter Angst. Während die Wahlen explosives Potential bergen, scheint vieles aber ebenso für eine Kontinuität zu sprechen, getreu dem Motto: "neu, aber doch gleich".

In knapp zwei Wochen finden in Simbabwe Wahlen statt. Das Land schwankt zwischen neu gewonnener Offenheit und geerbter Angst. Während die Wahlen explosives Potential bergen, scheint vieles aber ebenso für eine Kontinuität zu sprechen, getreu dem Motto: "neu, aber doch gleich".

In der sogenannten »Post-Mugabe-Ära« steht der nächste Höhepunkt bevor. Seit Monaten fieberte man der Bekanntgabe des Termins für die ersten Wahlen nach der Absetzung Robert Mugabes durch einen Militärputsch entgegen. Am 30. Juli, sollen die Präsidentschaftswahlen und die Wahlen zur Nationalversammlung stattfinden. Das gesamte Land befindet sich in hoher Erwartung, aber auch Anspannung. Man hofft auf einen friedlichen, freien und fairen Urnengang. Als jedoch am 25. Juni im White City Stadium der Oppositionshochburg Bulawayo während einer Wahlkampfveranstaltung des Interimspräsidenten Emmerson Mnangagwa eine Explosion zwei Menschen tötete, zogen dunkle Wolken auf und ein angespanntes Gefühl von Angst und Misstrauen kehrte zurück.

Die alte Garde inszeniert sich als Erneuerer

Mehr als zwanzig KandidatInnen bewerben sich um den Präsidentschaftsposten. Auf den Wahlzetteln finden sich jedoch nicht die Namen der beiden politischen Protagonisten der letzten Jahrzehnte: Robert Mugabe und Morgan Tsvangirai. Für die Regierungspartei ZANU-PF ist Emmerson Mnangagwa in den Wahlkampf gezogen. Mit seinen 73 Jahren kann er auf eine lange Parteikarriere zurückblicken und gilt als wichtige Persönlichkeit im Kampf für die Unabhängigkeit. Er konnte sich, mit Unterstützung der Armee, bei den innerparteilichen Machtkämpfen durchsetzen und präsentiert sich nun als Erneuerer und Reformer. Erste Veränderungen werden sichtbar. Die Präsenz und Willkür von Armee und Polizei war in den letzten Monaten deutlich rückläufig, die gesellschaftlichen Diskussionen offener. Mnangagwa inszeniert sich während des Wahlkampfes im Gegensatz zu seinem Vorgänger als volksnah. Seine Facebook-Seite zeigt ihn beim Essen in einem Schnellrestaurant oder während Treffen mit StudentInnen. Immer wirbt er um Investitionen. Als neues Markenzeichen, selbst bei offiziellen Terminen, trägt er einen Schal in den simbabwischen Farben. Mnangagwa steht für viele alte Kader, die sich als Erneuerer inszenieren. Der Journalist und Akademiker Odomaro Mubangizi spricht nicht umsonst von einem »Machiavellismus« der alten und neuen politischen Elite Simbabwes.

Daher sitzt das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Regierungspartei tief. Viele Simbabwer glauben nicht an eine wirkliche Veränderung innerhalb der ZANU-PF, sie sehen die derzeitige Entspannung als Wahlkampftaktik. Für sie ist Mugabe aus dem Weg geräumt, das System existiert jedoch weiter. Ein System, das aus einer engen Verflechtung von Partei und Militär besteht und die politische Kontrolle bis in die kleinste Dorfgemeinschaft besitzt. Ein Mitarbeiter des unabhängigen ökonomischen Forschungsinstituts Simbabwes, LEDRIZ, beschreibt im Gespräch mit den AutorInnen die politische Kaste der ZANU-PF als ein organisiertes Kartell. Nach Schätzungen des Instituts werden allein aus dem Bergbausektor illegale Einnahmen in Höhe von jährlich drei Milliarden US-Dollar gewonnen. Hinzu kommen illegale Einnahmen aus dem Verkauf von Elfenbein. Dieses Geld lagert auf privaten Konten und ermöglicht die Finanzierung von Geheimdienst, Armee und Polizei und sichert somit den Machterhalt der regierenden politischen Elite. Das Interesse an tiefgreifenden politischen Veränderungen innerhalb der ZANU-PF ist fraglich.

Wer jedoch denkt, Robert Mugabe hätte sich endlich zur Ruhe gesetzt, irrt. Er, seine Frau Grace Mugabe, die eigentlich die Macht übernehmen sollte, sowie viele Anhänger versammeln sich hinter der neugegründeten Partei "National Patriotic Front". Jedoch werden deren Vorsitzendem, Ambrose Mutinhiri, ein enger Vertrauter Mugabes, wenige Chancen zugerechnet.

Deutlich spannender wird das Wahlergebnis für die größte Oppositionspartei, die Bewegung für Demokratische Veränderung – Tsvangirai (MDC-T). Im Februar starb ihr populärer Vorsitzender und Führungsfigur, Morgan Tsvangirai. Unmittelbar nach seinem Tod konnte sich Nelson Chamisa bei internen Machtkämpfen als neuer Vorsitzender durchsetzen. Der 40-jährige Anwalt und Angehörige der Ndebele-Ethnie kommt selbst aus der Jugend- und Studierendenbewegung und gilt als charismatischer Politiker. Insbesondere im städtischen Raum und für die Jugend Simbabwes ist er daher glaubwürdig. Seine Kandidatur birgt hohes Potential, denn vierzig Prozent der Bevölkerung Simbabwes ist zwischen 18 und 25 Jahren alt. Der Wahlkampf der MDC-T wird zu großen Teilen über die sozialen Netzwerke geführt, nicht zuletzt, weil es im Land trotz des personellen Wechsels an der Spitze kaum unabhängige Medien existieren, die wenigen Radio- und Fernsehanstalten durch Staatsfunktionäre kontrolliert werden und regierungskritische Stimmen kaum hörbar sind. Aber genau über die sozialen Medien erreicht der Wahlkampf der MDC-T die für sie passende Zielgruppe - die Jugend.

Chamisa selbst glaubt an einen Wahlsieg von MDC-T. Er rechne „mit einem Stimmenanteil von 70 bis 80 Prozent", teilte er in einem Gespräch mit. Das Programm seiner Partei stütze sich auf fünf Säulen: gute Regierungsführung, Stärkung der Wirtschaft, Beschäftigung mit sozialen Fragen, Ausbau der Infrastruktur und internationale Solidarität. Es orientiere sich an sozialdemokratischen Grundsätzen. Ob und wieviel Substanz sich hinter diesen Schlagwörtern verbirgt, ist unklar. Seine Kritiker zweifeln an der Fähigkeit der Partei Regierungsverantwortung zu übernehmen und diese auszufüllen. Zu groß seien auch die internen Machtkämpfe, um einen starken einheitlichen Wahlkampf zu führen.

Dass der Wahlkampf nicht ohne »Überraschung« vonstatten geht, zeigen die Meldungen der simbabwische Zeitungen "NewsDay" und "dailynews" Anfang Juni: Auf den Titelbildern meldeten große Buchstaben, dass Mugabe auch Chamisa unterstützt. Jahrelang bekämpfte Mugabe die MDC, jetzt scheint er nach dem Motto vorzugehen, "der Feind meines Feindes ist mein Freund".

Die Gefahr der ethnischen Gewalt

Chamisa selbst spricht ganz konkret die Angehörigen der Ndebele-Ethnie an und bringt damit einen zusätzlich emotional aufgeladenen Aspekt in den Wahlkampf. In einem jüngeren Aufruf sprach er sich gegen eine „Shonaisierung“ des Landes aus und verdeutlichte dies am Beispiel des Justizministeriums und den Justizangestellten. Das Ministerium sei durchgängig durch Angehörige der Shona-Ethnie besetzt und mit seiner Präsidentschaft werde er sich deutlich für stärkere Rechte der Ndebele einsetzen. Eine ethnische Aufladung des Wahlkampfes kann man diesem Land nicht wünschen. Viele Gesprächspartner in Simbabwe warnen vor aufkommenden ethnischen Konflikten und dem möglichen Gewaltpotential vor, während und nach der Wahl. Es scheint das Gespenst "kenianischer Verhältnisse" umzugehen. Nach den Wahlen 2007 in Kenia kamen mehrere hundert Personen bei ethnisch-basierter Gewalt um. Manche Gesprächspartner sprechen sogar von der Gefahr "ruandischer Verhältnissen".

Eine offene Frage ist, wie sich Südafrika als regionale Macht und Nachbarland im Falle einer zunehmenden Gewalt positionieren wird. Unter den Präsidenten Thabo Mbeki und Jacob Zuma hielt man sich immer mit Äußerungen zurück. Beobachter gehen davon aus, dass sich auch Cyril Ramaphosa aufgrund der innenpolitischen Lage in Südafrika aus einem Konflikt in Simbabwe heraushalten wird, so lange keine Flüchtlinge in Südafrika eintreffen.

Hoffnungen setzt man auf die unabhängigen WahlbeobachterInnen. Unter Robert Mugabe kam es bei den letzten Wahlen 2002 zu großen Unregelmäßigkeiten. Die Angst vor einem erneuten Wahlbetrug ist groß, die Wachsamkeit dieses zu verhindern ebenso. Dabei liegen die Hoffnungen weniger auf BeobachterInnen der Afrikanischen Union oder der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) . Oftmals wurden in der Vergangenheit Wahlen als frei und friedlich deklariert, obwohl das Gegenteil der Fall war. So werden den Beobachtern der Europäischen Union oder unabhängiger Institutionen eine wichtige Rolle zugeschrieben.

Wirtschaftliche Belebung vor politischer Transformation

In Simbabwe mangelt es an Vielem. Das einst exportorientierte Land ist auf den vollständigen Import von Gütern angewiesen. Informelle Arbeit und Schmuggel sind die größten Einkommensquellen für die Zurückgebliebenen - auch für Polizei und Armee. Fast die gesamte Infrastruktur des Landes ist zusammengebrochen. Krankenhäuser in dörflichen Regionen haben keinen Strom und kein Wasser. Nach der Landreform im Jahr 2000 gelang es der Regierung nicht neue Landwirtschaftsstrukturen zu schaffen. Viele Menschen fliehen, um mit Jobs in den Nachbarländern ein Überleben der zurückgebliebenen Kinder und Alten zu sichern. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen drei und vier Millionen Simbabwer allein in Südafrika leben.

Sich für eine »gute Regierungsführung« und wirtschaftliche Wiederbelebung einzusetzen, ist daher erklärtes Ziel beider Hauptkontrahenten. Das ist aufgrund der Situation verständlich, jedoch stellt sich die Frage, wie umfangreich das radikal-liberale Programm werden wird. Mnangagwa und weitere Minister seines Kabinetts buhlen aggressiv um Investoren. Ideen für eine armutsorientierte Wirtschaftspolitik, so zum Beispiel für Reformen und Investitionen zur Unterstützung von Kleinbauern, eine progressive Steuerpolitik oder das Nutzen von Bergbaueinnahmen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Ebensowenig die Ausweitung demokratischer Räume jenseits von fairen und freien Wahlen. Diese sind nur ein, wenn auch der erste Schritt, für den demokratischen und wirtschaftlichen Aufbruch des Landes.

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