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Uta Wegner

Sieg der „unteren zehn Millionen“

Tschechien hat seinen neuen alten Präsidenten gewählt. Es war ein knapper Sieg für Miloš Zeman. Kurz vor der Stichwahl schien die „Anti-Zeman Koalition“ tatsächlich Erfolg zu haben. In den letzten Umfragen lag Jiří Drahoš leicht vorn.

Doch am Ende konnte der Herausforderer nicht mithalten. Zeman gewann knapp 52 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung beim zweiten Wahl-

gang war, auch weil die Wahl als Richtungsentscheidung in der tschechischen Politik galt, 7 Prozentpunkte höher als bei den letzten Wahlen 2013 (59%) und lag bei 66 Prozent.

Zeman ist eine hoch ambivalente Figur. Seine Haltung zu Flüchtlingen und Minderheiten werden auch von Rechten in der tschechischen Gesellschaft unterstützt. Dies hielt die KSCM, die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, aber nicht davon ab, ihre Sympathisanten zur Wahl Zemans aufzurufen. Er ist sowohl für die Kommunisten, als auch für die Mehrheit der Partei des Demokratischen Sozialismus (SDS) das "kleinere Übel". Seiner Volksnähe hat die Linke in Tschechien wenig entgegen zu setzen. Drahoš Anhänger sind dagegen im urbanen Bildungsmilieu zu finden. Insbesondere dessen Unterstützung aus rechts-konservativen Kreisen machte die Linke bezüglich seiner zukünftigen Politik misstrauisch.

Zeman trat 1968 während des "Prager Frühlings" der Kommunistischen Partei bei. Er wurde jedoch später ausgeschlossen, da er sich gegen die Intervention des Warschauer Paktes stellte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion trat er der sozialdemokratischen Partei (CSSD) bei, deren Vorsitzender er 1993 wurde. Unter seiner Führung wurde die CSSD eine der bedeutendsten politischen Parteien im Lande. Nach ihrem Wahlsieg regierte er zwischen 1998 und 2002 als Premierminister. 2007 verließ er seine Partei wegen internen Konflikten und gründete die Partei der Bürgerrechte, die allerdings erfolglos blieb.

Für die EU-Führung wäre Drahoš die bessere Wahl gewesen. Er wäre der gemeinsamen Strategie gegenüber Russland und China sowie den Entscheidungen der europäischen Staats- und Regierungschefs gefolgt. Innenpolitisch wäre Drahoš' Abwehr-Haltung gegen den zur Regierungsbildung beauftragten ANO-Chef Babiš wohl nicht ganz so massiv, wie es vor dem ersten Wahlgang aussah. Babiš konstatierte bereits, dass sie sich strukturell sehr nahe stünden. Ein Übereinkommen basierend auf gemeinsamen Interessen wäre nicht ausgeschlossen gewesen.

Nach dem Wahlsieg Zemans bleibt abzuwarten, wie es für Andrej Babiš, den Vorsitzenden der nach den Parlamentswahlen im Herbst 2017 stärksten Partei, weitergeht. Erst kürzlich wurde seine Immunität aufgehoben und er musste mit seiner Regierung zurücktreten, weil er wegen einer drohenden Anklage aufgrund Betrugsverdachts im Parlament keine Mehrheit fand. Dennoch beauftragte ihn Zeman erneut mit der Regierungsbildung. Dies geschah aus beiderseitigem Interesse. Zeman war zu diesem Zeitpunkt auf die Wählerstimmen der ANO-Partei von Babiš angewiesen, während dieser Zemans Zustimmung braucht, um letztendlich doch Ministerpräsident zu werden.

Letzte Woche gab es Gespräche zwischen der KSCM und ANO, in denen die Möglichkeit der Tolerierung einer ANO-Regierung durch die KSCM erörtert wurde. So gebe es ein Entgegenkommen von ANO beim sozialen Wohnungsbau oder der Anhebung des Mindestlohns. Auch wären die Positionen der Parteien gegenüber der Einführung des Euro und der Aufwertung der Renten ähnlich. Aufgrund der gegensätzlichen Haltung zur Außenpolitik sei eine Koalition seitens der KSCM aber nicht möglich. Während sich die anderen Parteien wegen seines möglichen EU-Subventionsbetrugs weigern, mit Babiš zu kooperieren, beruft sich die KSCM auf die Unschuldsvermutung.

Aus Sicht der tschechischen Linken waren beide Kandidaten keine Garanten der Demokratie. Aber Zemans politischer Werdegang und sein Rückhalt in jenen Teilen der Bevölkerung, die traditionell von der Linken umworben werden, machen ihn annehmbarer.

So sehr Miloš Zeman außenpolitisch unwägbar für den Westen agiert und deutlich antiislamische und migrationsfeindliche Positionen vertritt, hat mit ihm doch der gewonnen, der auf nationaler Ebene die "unteren zehn Millionen" vertritt. Ein Sieg Drahoš' hingegen wäre ein Sieg der Eliten.

Uta Wegner ist Referentin im Bereich Internationale Politik in der Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE mit Schwerpunkt Osteuropa.

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