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Manuela Kropp

Die Geopolitik der Energie

Wenn wir über Energie reden, reden wir über das „Schmiermittel“ unserer Ökonomie, und darüber, wie wir zukünftig leben und arbeiten. Infrastrukturprojekte wie Gaspipelines und Flüssiggasterminals sind kostspielige, langfristige und klimaschädliche Investitionen.

Aber nur, wenn die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um ganze 95 Prozent senkt (im Vergleich zu 1990), können wir noch das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einhalten. Problematisch ist: auch der EU-Haushalt stellt Gelder für den Ausbau der umstrittenen Gasinfrastruktur bereit - innerhalb von vier Jahren hat das Programm „Connecting Europe Facility“ bereits über 1,2 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt an direkten Subventionen in Gasprojekte gepumpt.1 Ca. 3 Mrd. Euro sind von 2007 bis 2016 aus dem EU-Haushalt in Gasinfrastrukturprojekte geflossen, und ganze 17 Mrd. Euro stellte im selben Zeitraum die Europäische Investitionsbank an Darlehen bereit. Das macht ungefähr ein Fünftel der Investitionen der EIB im Energiesektor aus.2

Dass die Strategie für den Ausbau der Gasinfrastruktur ganz klar geopolitisch geprägt ist, zeigt die Debatte um einen drohenden Lieferstopp von Gas aus Russland - in verschiedenen Debatten im Industrieausschuss des Europaparlaments ist dies jüngst zur Sprache gekommen.3 Es geht offensichtlich darum, von russischen Gaslieferungen unabhängig zu werden - das kann auch bedeuten, die Hürden für den Eintritt in einen militärischen Konflikt mit Russland zu senken. Selbst zu Zeiten des Kalten Krieges floss ab 1973 sowjetisches Gas in die Bundesrepublik - Willy Brandt sah in diesen Verträgen richtigerweise eine Art „Vertrauensbeweis“.

EU fördert Gasprojekte

Am 21. Februar 2018 kam es zu einer wichtigen Abstimmung im Industrieausschuss des Europaparlaments: 15 Abgeordnete (darunter die GUE/NGL) sprachen sich gegen die Liste der „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ aus. Denn diese Liste4 gewährt Gasinfrastrukturprojekten Zugang zum EU-Haushalt und zu Krediten der Europäischen Investitionsbank. Anstatt also den Ausbau von intelligenten Stromnetzen zu fördern, die wir dringend brauchen, um einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien für unsere Versorgung zu nutzen, werden die knappen EU-Gelder in fossile Infrastruktur gesteckt, die niemand braucht und die unserem Kampf gegen den Klimawandel diametral gegenüber stehen.

Auch unter dem Blickwinkel der vielbeschworenen Versorgungssicherheit benötigen wir keine zusätzliche Gasinfrastruktur - die Nachfrage nach Erdgas ist in der EU in den letzten Jahren gesunken und wird weiter sinken: sie war 2014 um ca. ein Fünftel niedriger als noch 2010. Selbst die bereits bestehenden Pipelines sind nicht voll ausgelastet: 2014 nur zu 58%, und die Flüssiggasterminals im gleichen Jahr nur zu 32%. D.h. ca. die Hälfte der bestehenden Infrastruktur wird nicht genutzt.5

"Nein" zu Russland, aber "Ja" zu Aserbaidschan und der Türkei

Um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, wird nun der sog. Southern Gas Corridor gebaut: von Aserbaidschan bis Italien, 3.500 km lang, Kostenpunkt: 45 Mrd. US-Dollar. 1,5 Mrd. Euro Kredit vergibt die Europäische Investitionsbank für den westlichen Teil der Pipeline, die sog. transadriatische Pipeline (TAP), und eine Mrd. Euro erhält das türkische Unternehmen Botas für den Bau des Teils im türkischen Anatolien. Die Ziele der Europäischen Energieunion sind offiziell die Diversifizierung der Energiequellen, und die Verringerung der Importabhängigkeit - aber durch den Bau des Southern Gas Corridors wird die Abhängigkeit von russischem Gas einfach nur durch die Abhängigkeit von Gas aus Aserbaidschan ersetzt. Besonders die Mitgliedstaaten in Südosteuropa sind von russischem Gas abhängig und hier scheint die Sorge vor einer Lieferunterbrechung umzugehen - aber man sollte nicht vergessen, dass es in Südosteuropa ein gigantisches Energieeinsparpotenzial gibt, wenn entsprechende Energieeffizienzmaßnahmen an Gebäuden, wie zum Beispiel Gebäudedämmung, vorgenommen würden.67 Ganze 75% des Gebäudebestands in der EU sind energie-ineffizient. Würde sich die EU an ihre selbstgesteckten Klima- und Energieziele halten, könnte der Import von Erdgas um 29% gesenkt werden.8

Der Southern Gas Corridor berührt nicht nur klimapolitische, sondern auch Menschenrechtsfragen. Aserbaidschan ist eine Diktatur, über 100 Menschen sitzen aus politischen Gründen im Gefängnis, das Regime geht rigoros gegen seine Kritiker, unter anderem auch Gegner des Southern Gas Corridor, vor.9 Die internationalen Verträge zur Förderung des Erdgas manifestieren die Macht des Regimes Aliyev und verschaffen ihm ein einträgliches Einkommen. Hinzu kommt, dass ein Teil des Southern Gas Corridors, die Transanatolische Pipeline TANAP, durch die Türkei verläuft. Hier entsteht dann ein Hochsicherheitskorridor, der das Leben der Menschen, die in seiner Nähe leben, eklatant beeinträchtigen wird.10

Manuela Kropp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Europaparlament und leitet das Büro der Europaabgeordneten Cornelia Ernst.

 

Anmerkungen

1 Briefing von food&water europe and friends of the Earth, Gas is not EU’s common interest, Dezember 2017

2 Gaventa, J., Dufour, M., Bergamaschi, L., More security, lower costs, A smarter approach to gas infrastructure in Europe, E3G, 2016

3 Und dieses Interview im Deutschlandfunk am 28.11.2014 http://www.deutschlandfunk.de/russisches-erdgas-europa-und-die-angst-vorm-lieferstopp.724.de.html?dram%3Aarticle_id=304700&utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter

4 am 24.11.2017 von der europäischen Kommission veröffentlicht

5 Gaventa et al.

6 Counter Balance, Challenging Public Investment Banks, Briefing on the Southern Gas Corridor, Why the European Parliament should oppose EU support to this useless and imposed gas pipeline, October 2016

7 BPIE, Safeguarding Energy Security in South-East Europe with investment in demand-side infrastructure, The case for energy efficiency in buildings, 2016

8 Gaventa et al.

9 Robert Kempe, Aserbaidschan sonnt sich im Lichte des Sports, Deutschlandfunk, 25.03.2017

10 ebda.

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