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Andreas Günther

Anastasiades wiedergewählt - trotz antisozialer Krisenbewältigung

Zum Schluss war es doch noch spannend. Der von der kommunistischen Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL) unterstützte Linkskandidat Stavros Malas überraschte in der ersten Runde der zyprischen Präsidentschaftswahl am 29. Januar und lag mit 30,24% 4,5 Prozentpunkte vor dem Drittplatzierten Nikolas Papadopoulos von der zentristischen DIKO, den auch die Sozialdemokraten unterstützt hatten. Die Umfragen sahen ihn um oder knapp über 20%. Auch sein Abstand zum favorisierten Amtsinhaber Nicos Anastasiades von der konservativen DISY (35,15%) war mit 5,27 Prozentpunkten deutlich geringer als erwartet. Hinzu kam, dass erstmals in der Geschichte Zyperns die anderen Parteien keine Empfehlung für die zweite Runde aussprachen. Das Rennen schien offen.

Letzten Endes entschieden sich 56% der Wählerinnen und Wähler in der zweiten Runde am Sonntag für Kontinuität. Malas' Stimmanteil wuchs auf 44%, aber das reichte nicht, um den konservativen Gegner aus dem Amt zu drängen. Amtsinhaber Anastasiades konnte mit dem Verweis auf Wirtschaftskompetenz und die vergleichsweise rasche Bewältigung der Banken- und Finanzkrise 2013 überzeugen, die zu erheblichen sozialen Härten geführt hatte. Beim Schuldenschnitt für die Banken wurden auch einfache Sparer zur Kasse gebeten, die Löhne wurden gekürzt, die Arbeitslosigkeit stieg. Aber zuletzt zog die Konjunktur an, der Haushalt wurde konsolidiert und die Arbeitslosigkeit sank von 17 auf 11 Prozent. Der Tourismus boomt, auch wegen der Unsicherheit in anderen Mittelmeer-Reisezielen wie die Türkei, Ägypten und Tunesien. Gleichzeitig deutet eine Wahlbeteiligung von knapp 74% in der zweiten Runde (7,61% niedriger im Vergleich zu 2013) auf eine wachsende Enttäuschung der Wahlberechtigten über das politische System hin.

Herausforderer Stavros Malas präsentierte sich als Kandidat der „kleinen Leute“ und trat für einen Wandel in dem gegen chronischer Korruption kämpfenden Land ein. Zudem betonte er seinen unbedingten Willen zur Einigung mit der türkischen Bevölkerungsgruppe im Norden. Präsident Anastasiades warf er vor, er habe die letzte Verhandlungsrunde im Juli vergangenen Jahres scheitern lassen. Vor allem bestand Anastasiades auf dem kompletten Abzug der derzeit 35 000 türkischen Soldaten aus der so genannten „Türkischen Republik Nordzypern“. Die türkische Seite lehnte diese Forderung ab.

Die Zeit drängt

Das ist nicht der einzige, wohl aber einer der am schwersten zu lösenden Konfliktpunkte in den komplexen Verhandlungen um eine Wiedervereinigung der Mittelmeerinsel, die seit dem Putsch griechischer Nationalisten und der darauf folgenden türkischen Invasion des Nordens 1974 geteilt ist. In vielen Fragen wie der des Eigentums der aus dem jeweils anderen Teil des Landes vertriebenen Menschen und der politischen Repräsentation beider Bevölkerungsgruppen konnte dem Vernehmen nach Annäherung erreicht werden. Doch andere Fragen blieben offen. Unter anderem konnte zum Status der nach der Besetzung aus Anatolien in den Norden Zyperns strömenden türkischen Siedlerinnen und Siedler kein Kompromiss gefunden werden.

Die Zeit drängt indes. Zyprioten in ihren Vierzigern im Süden der Demarkationslinie sind in einem geteilten Land geboren und aufgewachsen. Viele ziehen die gewohnte Teilung den Unwägbarkeiten einer Wiedervereinigung vor. So wurde 2004 der durch UN-Vermittlung zustande gekommene Annan-Plan zur Wiedervereinigung Zyperns im Süden mit drei Vierteln der Stimmen abgelehnt. Die griechischen Zyprioten fanden den Plan zu unvorteilhaft für sich. Die türkischen Zyprioten dagegen sind unzufrieden mit ihrer Isolation von der Welt und der totalen Abhängigkeit von Ankara. Die türkische Regierung wiederum ist nicht bereit, im Falle zukünftiger Krisen auf ein militärisches Eingriffsrecht der so genannten Garantiemächte zu verzichten, zu denen neben der Türkei auch Griechenland und Großbritannien gehören. Außerdem besteht sie auf der Stationierung wenigstens einer symbolischen Zahl von Soldaten im Norden des Landes. Letzten Endes läuft es darauf hinaus, was für alle Zypern-Unterhändler eine Binsenweisheit ist: Der Schlüssel zur Vereinigung Zyperns liegt in Ankara.

Andreas Günther ist Leiter des Bereichs Internationale Politik der Partei DIE LINKE.

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Wichtiger Hinweis: Namentlich gezeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder.